Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben am Jahreswechsel zu Zusammenhalt und Zuversicht trotz politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen aufgerufen. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ermutigte am Silvesterabend im Frankfurter Dom zu mehr Hoffnung. Diese sei "das Gegenbild von Furcht und Verzweiflung" mit der Menschen angesichts von Konflikten und Krisen in die Zukunft blickten, sagte Bätzing am Silvesterabend im Frankfurter Dom.
"Wenn unsere Freiheit an ihre Grenzen stößt; wenn wir erkennen, wie gefährdet unser menschliches Dasein ist angesichts der ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Risiken unserer Zeit, dann setzt Hoffnung ungeahnte Kräfte frei", so der Bischof von Limburg weiter. "Sie hilft, den Blick zu heben und zu weiten und sich mit anderen Menschen guten Willens zusammenzutun und sich der Gleichgültigkeit gegenüber der Not und dem Leid geduldig und beharrlich, nüchtern und großmütig, bittend und betend entgegenzustellen."
Kardinal Woelki: Für mehr Zusammenhalt
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erinnerte unter anderem an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Weltweit sei eine Zunahme von Konflikten bis hin zu Gewaltbereitschaft zu erleben. Viele Menschen beschäftige deswegen die Frage nach dem Zusammenhalt in der Gesellschaft. Allerdings ließen einen manche Lösungsvorschläge für die aktuelle Krisenlage erzittern und erinnerten an überwunden geglaubte Zeiten.
Demgegenüber träten Christen ein für eine Zivilisation der Liebe, so der Kölner Kardinal. Solidarität und Gemeinwohlorientierung hielten die Gesellschaft zusammen: "Die Währung für ein solches gelingendes, gesellschaftliche Miteinander ist dabei der gegenseitige, respektvolle Umgang miteinander."
Kardinal Marx: Nächste Jahre sind entscheidend für Zusammenhalt
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat zum Jahreswechsel davor gewarnt, die weltweite Gemeinschaft aller Menschen aus den Augen zu verlieren. "Ein nationaler Kapitalismus macht sich breit, der die eigenen ökonomischen und politischen Interessen durchsetzen will, auch auf Kosten anderer", kritisierte der Erzbischof von München und Freising am Silvesterabend im Münchner Liebfrauendom. "Wenn wir nicht wirklich denken, dass wir als Menschen zusammengehören, dass wir Brüder und Schwestern sind, werden wir die großen Herausforderungen nie lösen", so Marx. Als Beispiele nannte er den Klimawandel, den Einsatz für Frieden und den Kampf gegen Ungleichheit auf der Welt. Die kommenden Jahre seien dafür entscheidend.
"Wir werden nicht ein Paradies schaffen", führte Marx aus. Doch Christen wüssten, dass man die Welt Schritt für Schritt besser ändern könne, um sie besser zu verlassen, als man sie bei seiner Geburt vorgefunden habe: "Wenn wir nicht ein neues Denken auf den Weg bringen, werden alle verlieren."
Die oft beschriebene Zeitenwende seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gelte auch für die Kirche, sagte der Erzbischof: "Wir müssen begreifen, wie wir die Zukunft sehen wollen." Krisen könne man entweder verschlafen oder aber anpacken. Die Zukunft der Kirche liege dabei weder bei denen, die sich nur Moden und Zeitströmungen anpassen wollten, noch bei denen, die den Glauben ideologisch verpackten und nur verteidigten. Vielmehr müssten Christen wirkliche Pilger der Hoffnung sein, griff Marx das Motto des in der katholischen Kirche beginnenden Heiligen Jahres auf. Dazu brauche es auch einen frischen, unverkrusteten Blick auf die Person Jesu Christi.
Kohlgraf: Nicht mit Kriegsfähigkeit abfinden
Nach Ansicht des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf braucht es das Festhalten an einer Perspektive und Vision zum Frieden. "Die eigentliche Zeitenwende ist das Angebot des Friedens, das Gott den Menschen macht, Frieden mit ihm und Frieden untereinander", sagte Kohlgraf in seiner Predigt am Silvestertag laut Manuskript. Zwei Konzepte von Zeitenwende stoßen demnach derzeit aufeinander, ein politisches und ein religiöses - basierend auf Christi Geburt. Letzteres finde sich nicht mit der Kriegsfähigkeit ab.
Die politische Zeitenwende beschrieb der Bischof als Ende einer vermeintlich friedlichen Ära und Beginn einer neuen Zeit, in der man aus Verteidigungsgründen hochrüste. "Die Zeitenwende beinhaltet im Wesentlichen, Menschen wieder kriegs- und verteidigungsfähig zu machen", sagte Kohlgraf, der auch Präsident der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi ist. Leider seien die aktuellen Kriege ein Zeichen der Zeit. Zudem gebe es in Europa eine "neue Versuchung des Nationalismus" nach Jahren des gemeinsamen Strebens nach mehr Einheit.
Genn: Kritik an Debatte zu Abtreibung
Auch der Bischof von Münster, Felix Genn, äußerte sich zum Jahresende. "Wir stehen wieder am Ende eines Jahres, das von Leid, Elend und schlechten Nachrichten, aber auch von Hoffnungszeichen geprägt ist", erklärte er. Für das Jahr 2025 bereite ihm Sorge, dass "die derzeitige Regierung noch eine rechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruches durchsetzen will, die ebenso wenig wie das Transplantationsgesetz mit unserem Menschenbild übereinstimmt." Es empöre ihn, so Genn, solch wichtige Fragen in letzter Minute "durchzuboxen".
Gesellschaftlichen Fragen bräuchten ein tieferes Schauen auf die geistigen Hintergründe - gerade angesichts einer Flut an Nachrichten und Meinungen. "Hass ist bekanntlich keine Meinung, aber für manche ist Hass zur Haltung geworden", kritisierte der Bischof. "Jedoch ändern wir Dinge nur, wenn wir unter die Oberfläche schauen, nach dem Grund der Dinge fragen, nicht anprangern, sondern Abhilfe schaffen." Dies sei Aufgabe von Christen in alltäglichen Begegnungen und Gesprächen.
Meier: Kirche hat Zukunft, wenn sie wieder mehr betet
Der Augsburger Bischof Bertram Meier fordert mehr Gebet. "Könnte es zutreffen, dass wir zu wenig beten? Dass die Kirche im Blick auf das Beten auf Sparflamme zurückgeschaltet hat? Wie steht es um den Rhythmus des Stundengebets - auch in den Klöstern und bei uns Priestern?", sagte Meier laut Manuskript an Silvester im Augsburger Dom. Meier ergänzte, er habe in einem Artikel gelesen, die Gegenwart sei eine gebetslose Zeit. "Trifft das etwa auch auf die Kirche zu? Leben wir in einer 'gebetslosen' Kirche? Gott bewahre! Ich bin überzeugt: Die Kirche hat dann Zukunft und Ausstrahlung, wenn sie wieder mehr betet - die Einzelnen und als Gemeinschaft."
Außerdem äußerte sich der Bischof zum Thema Dankbarkeit. Dieser Begriff sei für ihn zu einem spirituellen Schlüsselwort geworden, sagte er. "Doch Dankbarkeit ist nicht nur ein wunderschönes Gefühl; sie ist vor allem eine Haltung, die wir einüben können. Ich gestehe offen und ehrlich: Meine Dankbarkeit ist ausbaufähig. Ich wäre gern ein dankbarer Mensch. Ich verspreche mir viel davon, die Haltung der Dankbarkeit weiter einzuüben - treu und nachhaltig."
Overbeck: Gesellschaft braucht Christen
In seiner Neujahrsbotschaft plädierte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck dafür, die Gesellschaft durch gelebten christlichen Glauben positiv zu beeinflussen. "Zu unserem Glauben gehört immer beides: Das Beten und das Handeln. Beides muss wieder stärker eine Einheit werden", so Overbeck. Die Gesellschaft brauche das karitative christliche Engagement, etwa in Kitas, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen.
Neymeyr: Gegen Spaltungen im Wahlkampf
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr rief zum Gebet für einen guten Ausgang der Bundestagswahl am 23. Februar auf. "Wir beten in diesem Jahr mit besonderer Dringlichkeit für die Politikerinnen und Politiker, die in unserem Land aber auch in aller Welt Verantwortung für die Menschen haben", sagte er in seiner vorab veröffentlichten Silvester-Predigt. "Wir hoffen, dass die Spaltungen in unserem Land im Wahlkampf nicht noch tiefer werden und dass die Menschen, die in politische Verantwortung gewählt werden, nicht nur auf das Wohl ihres Landes bedacht sind, sondern auch das Schicksal der gesamten Weltbevölkerung bedenken."
Gerber: Auf Ausgegrenzte zugehen
Der Fuldaer Bischof Michael Gerber ermutigte dazu, auf Andersdenkende, Ausgegrenzte und Fremde zuzugehen. Die Gesellschaft in Deutschland halte zusammen, gerade weil es viele Menschen unterschiedlicher Weltanschauung gebe, die mehr für das Gemeinwohl investierten als das, was gesetzlich eingefordert werde, fügte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz hinzu.
Meier: Jahr der Hoffnung, Zuversicht und Liebe
Der katholische Bischof von Osnabrück, Dominicus Meier, erinnert für 2025 an den christlichen Auftrag. "Wir wollen ein Jahr der Hoffnung, ein Jahr der Zuversicht und ein Jahr der Liebe eröffnen", erklärte der Bischof bei einem Gottesdienst am Silvesterabend laut vorab vorliegendem Redemanuskript. Im Jahr 2025, in dem die Katholiken das Heilige Jahr feiern, müssten Kriege und unfassbare Nachrichten wie solche jüngst aus Magdeburg Christen auch daran erinnern, eine frohmachende Botschaft zu verkünden.
Gott habe den Menschen den Auftrag gegeben, Pilger der Hoffnung zu sein: "Eine Kirche, die nicht hofft, ist überflüssig. Eine Kirche, die nicht hofft, ist nicht glaubwürdig. Eine Kirche, die nicht hofft, kann nicht solidarisch leben und andere zur Hoffnung einladen", sagte Bischof Meier.
Fehrs: Für menschenfreundlichere Gesellschaft
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kerstin Fehrs, rief zu einer Kultur der Offenheit und gegenseitigen Achtung auf. Die Hamburger Bischöfin warnte mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar davor, populistischen Parolen auf den Leim zu gehen. "Man prüfe genau, wer zur Menschenfreundlichkeit fähig ist - und ordne es ein, wenn Extremisten Nächstenliebe nur fürs eigene Volk fordern."