Kirchen rufen wegen Ladenschluss Bundesverfassungsgericht an

Arbeitsruhe und seelische Erhebung

Die beiden großen christlichen Kirchen rufen wegen der deutlich erweiterten Ladenöffnungszeiten in mehreren Bundesländern das Bundesverfassungsgericht an. Dieser Schritt sei unumgänglich, nachdem Berlin und Brandenburg mit ihren Ende 2006 erlassenen Gesetzen den verfassungsrechtlich verankerten Sonntagsschutz ausgehöhlt hätten, erklärten die beiden Berliner Bischöfe, Wolfgang Huber und Kardinal Georg Sterzinsky, am Montag vor Journalisten in der Bundeshauptstadt.

 (DR)

Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstützen die Verfassungsbeschwerde von der Landeskirche und dem Erzbistum Berlin. Berlin war Ende vergangenen Jahres vorangeprescht und hatte die Öffnung der Geschäfte an allen vier Adventssonntage erlaubt.

Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, rügte vor allem die Freigabe des Ladenschlusses in Berlin. Dem rot-roten Senat und Abgeordnetenhaus warf er vor, in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" Tatsachen geschaffen. "Werte werden nicht auf der Rolltreppe im Kaufhaus vermittelt", mahnte Huber.

Die Kirchen setzen sich gegen die Aushöhlung des grundgesetzlichen Schutzes von Sonn- und Feiertagen als Tage der "Arbeitsruhe und seelischen Erhebung" zur Wehr.

Sechs Tage die Woche - rund um die Uhr
Was das bundesweite Ladenschlussgesetz 50 Jahre lang verboten hat, ist in den meisten Bundesländern spätestens seit dem 1. Dezember 2006 erlaubt. Die Geschäfte an Rhein, Ruhr, Spree und Main dürfen montags bis samstags rund um die Uhr verkaufen.
Ungeachtet des Protests von Gewerkschaften und Kirchen hatten einige Bundesländer den Ladenschluss vor dem Weihnachtsgeschäft gekippt.

Bei der Liberalisierung der Öffnungszeiten lieferten sich die Bundesländer ein Wettrennen, seit ihnen im Zuge der Föderalismusreform die Zuständigkeit für den Ladenschluss übertragen worden war. Als erstes Bundesland sorgte Berlin im Eilverfahren dafür, dass Geschäfte wochentags rund um die Uhr sowie an zehn Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen, darunter an allen vier Adventssonntagen.

Ähnliche Regelungen mit weniger verkaufsoffenen Sonntagen haben Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Brandenburg, das nur zwei verkaufsoffene Adventssonntage zulassen wollte, musste sich dem Berliner Beispiel anpassen und gab sechs Sonntage inklusive der Adventssonntage frei. Lediglich Bayern und das Saarland ließen alles beim Alten. Rheinland-Pfalz weitete die Öffnungszeiten moderat aus.

Nachzügler war Baden-Württemberg. Der Stuttgarter Landtag machte im Februar den Weg frei für die vollständige Ladenöffnung an Werktagen.
Erlaubt werden drei statt bisher vier verkaufsoffene Sonntage.
Sonntagsöffnung ist nicht zulässig an den Adventssonntagen, den Feiertagen im Dezember sowie dem Oster- oder Pfingstsonntag. Vor einer Feiertags-Freigabe sollen zudem die zuständigen kirchlichen Stellen gehört werden.

Die Beschäftigten und ihre Familien leiden
Hauptleidtragende der Liberalisierung sind nach Einschätzung von Gewerkschaften und Kirchen die 2,7 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel, die unter gesundheitsschädlichen und familienfeindlichen Arbeitszeiten zu leiden hätten.