DOMRADIO.DE: Es gibt kaum einen Bischof, der im Umgang mit sexualisierter Gewalt keine Fehler gemacht hat. Sollte das nicht auch Auswirkungen auf die Feier der Verabschiedung haben?
Florian Breitmeier (Redaktion für Religion und Gesellschaft beim NDR): Das wird die ganz spannende Frage sein. Es ist ja das erste Mal, dass ein Diözesanbischof in Deutschland im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen und dem Umgang damit sein Amt verloren hat. Bischof Franz-Josef Bode wird natürlich auch in Osnabrück ein Wort an die Gläubigen richten. Da wird die interessante und spannende Frage sein: Wie selbstkritisch ist er? Was wird auch über ihn gesagt?
Denn das sind schon gewisse Zeitenwenden, die in der katholischen Kirche in Deutschland stattgefunden haben, nicht erst seit 2010. Auch durch die Veröffentlichung der MHG-Studie 2018, aber auch durch den Synodalen Weg sind Bischöfe stärker als früher bei solchen Verabschiedungen in einer gewissen Erklärungsbringschuld, um einfach zu reflektieren, was sie getan haben.
DOMRADIO.DE: Es hat seit 2010 schon mehrere Emeritierungen und Verabschiedungen von Bischöfen in Deutschland gegeben. Konnten Sie als Journalist schon nachdenklichere Töne feststellen als das früher der Fall war?
Breitmeier: Das war bis in die jüngste Vergangenheit hinein eher so, dass das geistliche und theologische Fundament gewürdigt wurde, die Wachheit, die bodenständige Kirchlichkeit, die große diözesane Erfahrung, die man bei den Verabschiedungen von Ortsbischöfen oft gehört hat. Das ist jetzt ein spannender Moment am Sonntag, weil er für die katholische Kirche in Deutschland aufzeigen könnte, wie wir in dieser Zeit damit umgehen, wenn es – wie im Falle von Franz-Josef Bode – schwerwiegende Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt gab.
Denn es wird nicht darauf ankommen, ein großes Schwarz-Weiß-Bild zu zeichnen oder nur Bösewichte oder nur Lichtgestalten darzustellen, sondern auch kritisch würdigend und fair mit jemandem umzugehen, der nicht nur ein Versagen bei manchen Fällen von sexualisierter Gewalt an den Tag gelegt hat, sondern auch eine prägende Gestalt der katholischen Kirche in Deutschland über Jahrzehnte war.
Aber das so ganz auszublenden, wie das in der Vergangenheit oder auch jüngst in den letzten Jahren noch der Fall gewesen ist, das kann man sich heute eigentlich kaum noch leisten, wenn man denn weiter ehrlich und authentisch wirken will.
DOMRADIO.DE: Welchen geeigneten Rahmen für eine Bischofsverabschiedung würden Sie denn heute schaffen?
Breitmeier: Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, was man sagt. Ich vermute mal, dass er auch predigen wird, dass er auch seinem Bistum, den Gläubigen noch einmal vieles mitgeben wird.
Ich denke schon, dass auch selbstkritische Worte fallen werden, aber auch eine ehrliche Bilanz dessen, was er im Bistum Osnabrück auf den Weg gebracht hat. Und dann natürlich auch, was über ihn im Gottesdienst oder auch später bei der Verabschiedung noch gesagt wird. Weil es schon eine ganz entscheidende Frage ist, dass der Weg, wie ein Bischof mit seinen Verfehlungen und Fehlern mit sexualisierter Gewalt umgeht und wie die Kirche das aufnimmt, durchaus ein Fingerzeig für die Zukunft sein könnte.
Ich habe in den letzten Jahren oft das Gefühl gehabt, dass Bischöfe sehr an dem Amt hängen, dass sie es als eine Niederlage empfinden, wenn sie den Rücktritt anbieten oder der vielleicht sogar angenommen würde.
Aber aufzuzeigen, dass man auch weiterhin als ein Seelsorger wirken kann, auch wenn man nicht mehr Ortsbischof ist, und einfach bereit ist, sein Amt zur Verfügung stellen, das finde ich einen sehr wichtigen Umgang. Das wäre spannend zu berücksichtigen, wie das in Osnabrück geschieht.
Es hat vor der MHG-Studie oder vor dem Start des Synodalen Weges, den Franz-Josef Bode auch initiiert hat, 2019 in Lingen bei der Bischofskonferenz noch überhaupt keine Rücktrittsangebote von Bischöfen gegeben. Das hat sicherlich auch vieles mit dem Weg zu tun, der 2020 gestartet wurde, dass die Gläubigen nun direkter die Bischöfe kritisieren und sie stärker in der Verantwortung den Gläubigen gegenüberstehen und das nicht nur alleine, vielleicht im kleinen Kreis oder "nur" mit sich ausmachen.
Das Interview führte Jan Hendrik Stens.