DOMRADIO.DE: Man kann die Seelsorge-Termine online buchen, über ein Termin-Portal. Das kann ich beim Arzt inzwischen auch. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere daran?
Pfarrer Frank Ertel (Evangelischer Kirchenkreis Aachen): Das Besondere ist, dass wir als Kirchen Zugänge zum Menschen finden und wieder in Beziehung kommen. Das ist auch eine Lehre aus der Pandemie-Zeit, dass sich nur da, wo Beziehungen waren, die Menschen tatsächlich für uns interessiert haben und zu uns gekommen sind.
Früher ging man mal einfach zum Pfarrer, ins Pfarrhaus, wenn man seelischen Rat und Unterstützung brauchte. Einen solchen Zugang gibt es heute größtenteils nicht mehr. Pfarrhäuser sind vielleicht auch nicht mehr mit den Kirchen zusammen.
Oder Menschen wissen gar nicht mehr, was Seelsorge ist. Menschen machen Dates über Tinder. Und warum sollten wir nicht auch Dates über unserer Plattform machen – dann für Seelsorge. Also, die Plattform dient einem guten Matching.
DOMRADIO.DE: Sie sind auch Vorsitzender der Telefonseelsorge in Deutschland. Hat dieser Hintergrund auch etwas mit dem Schaffen dieses neuen Angebots zu tun?
Ertel: Ja, ein bisschen natürlich, weil ich mich in dieser digitalen Welt der Seelsorge halt einfach ganz gut auskenne. Aber es ist ein ganz eigenständiges Projekt und hat nichts damit zu tun.
Und das Kennzeichen hier ist ja auch noch mal – anders als in der Telefonseelsorge, wo ich mich anonym über Mail, Chat, Telefon und so weiter melden kann –, dass ich hier ganz speziell hingehen und sagen kann: Ich möchte mit dieser Seelsorgerin, diesem Seelsorger, diese Art von Seelsorge haben.
Also die Seelsorge-Suchenden können wirklich auch auswählen, mit wem sie was gerne erleben möchten und was sie brauchen.
DOMRADIO.DE: Auf ihrer Homepage werden die Seelsorger und Seelsorgerinnen vorgestellt mit einem Bild und mit ein paar Stichpunkten. Wird der Seelsorger dann nach Optik und Stichworten ausgesucht? Das spielt doch eigentlich für die Qualität der Seelsorge gar keine Rolle.
Ertel: Uns ging es darum, dass die Menschen jemanden aussuchen. Ja, vielleicht ist es auch nach Optik – ob das eine Qualitätsfrage ist, glaube ich eher nicht. Da stehen ja auch Hobbys drin. Und was ist das für ein Mensch?
Menschen brauchen Menschen, wollen Menschen begegnen. Und da ist die Möglichkeit, dass sich jemand als Seelsorger zeigt, auch mit seinen privaten Dingen. So dass Menschen sagen können: Ach, das interessiert mich auch. Diesem Menschen möchte ich begegnen. Und mit diesem Menschen möchte ich vielleicht auch über meine spirituellen, geistlichen Sachen sprechen.
DOMRADIO.DE: Gibt es da schon Erfahrungswerte, wie das ankommt?
Ertel: Ja, es kommt an, es wird gebucht. Es ist natürlich noch alles ganz am Anfang und ganz frisch. Spannenderweise der Hit sind die Seelsorge-Spaziergänge. Ich glaube, ich werde diesen Sommer ganz fit.
DOMRADIO.DE: Schließen Sie damit nicht vielleicht auch Menschen aus, die nicht so sehr digital unterwegs sind? Oder können die ganz normal wieder beim Pfarrer vorbeikommen, klingeln und sagen: Ich suche da mal ein Gespräch?
Ertel: Ja, natürlich, das ist alles möglich. Nur, jetzt steht die Seelsorge nicht mehr irgendwo, sondern wir haben es sozusagen nach oben gehoben, nach vorne geholt. Und meine große Hoffnung oder mein Wunsch wäre, dass wir die Menschen da wieder erreichen, die nicht wissen, wo der Pfarrer wohnt und die sonntags auch nicht in der Kirche sind, weil sie die Beziehung gar nicht mehr haben.
Ob sich aus einem Kontakt mehrere Kontakte entwickeln oder ob es bei einem Kontakt bleibt, das bleibt immer der Situation, dem Gespräch, dem Seelsorge-Suchenden überlassen.
Das Interview führte Dagmar Peters.