Kirchenpräsident Liebig sieht Landeskirche in gutem Zustand

"Anhalt wird nicht untergehen"

Kritiker sehen die evangelische Landeskirche in unruhigen Gewässern. Zuletzt scheiterte die Wahl eines Nachfolgers des scheidenden Kirchenpräsidenten Joachim Liebig. Wie blickt er auf die Kirche? Und was reizte ihn an seinem Posten?

Autor/in:
Von Benjamin Lassiwe
Der scheidende Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig  / ©  Heike Lyding (epd)
Der scheidende Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig / © Heike Lyding ( epd )

KNA: Sie gehen zum 1. März in den Ruhestand - und ein Nachfolger ist noch nicht gefunden. Wie geht es mit der kleinsten Gliedkirche der EKD weiter? In welchem Zustand übergeben Sie sie an einen Nachfolger?

Joachim Liebig (scheidender Kirchenpräsident der Landeskirche Anhalt): Ich übergebe sie in einem nach meinem Dafürhalten guten Zustand. Die finanzielle Situation ist stabil. Wir führen regelmäßig Gespräche mit dem Rat und der Finanzabteilung der EKD zum Thema "Wie geht es weiter mit dem Finanzausgleich"? 

Bei dieser Gelegenheit geht es ja immer auch um Anhalt und die Frage nach der Zukunft der kleinsten Landeskirche in der EKD. Auch wenn es ein Einschnitt wäre: Wir brauchen den Finanzausgleich nicht zwingend. Wir sind als Landeskirche in der Lage, auf die sich verändernden Bedingungen zu reagieren.

KNA: Was heißt das konkret?

Liebig: Wenn zum Beispiel die Finanzmittel weniger werden, können wir mit unserem Verbundsystem reagieren. Damit lässt sich bei den Personalstellen leicht nachsteuern. Da sind wir in Anhalt eher ein Schnellboot als ein Supertanker. 

Joachim Liebig

"Ich hätte gerne etwas mehr anhaltisches Selbstbewusstsein etabliert."

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es gibt auch Dinge, die mir nicht gelungen sind, und die ich bedauere: Ich hätte gerne etwas mehr anhaltisches Selbstbewusstsein etabliert. Ich denke da an eine Predigt Dietrich Bonhoeffers, die er 1933 angesichts der Wahlen in Preußen in Berlin gehalten hat: Da war sein Kerngedanke: "Wo wir Abbruch sehen, wird es wahrscheinlich so sein, dass Gott schon wieder aufbaut."

Deswegen sollten wir darauf vertrauen, dass es auch in Zukunft mit der anhaltischen Kirche weitergeht.  

KNA: Wo ist es denn in den letzten Jahren in Anhalt vorwärts gegangen?

Liebig: Es gibt viele Felder, auf die unsere Landeskirche stolz sein kann: Ich fange an bei der Musik - durch das Verbundsystem, in dem sich mehrere Gemeinden Stellen verschiedener Professionen teilen, haben wir neue Mitarbeitende gewonnen, die neue Impulse setzen.

Wir haben eine, sehr lebendige Kirchenmusik. Anders als ich das aus früheren Zeiten aus dem Westen kenne, haben wir eine hohe Dichte an Chören jeder Art, Posaunenchören, Musicals, Singwochen, sogar eine evangelische Singschule.

Joachim Liebig

"Wir haben eine, sehr lebendige Kirchenmusik und Jugendarbeit und in allen Gemeinden Gemeindekirchenräte."

Wir haben in der Jugendarbeit schöne Erlebnisse: Wir haben eine Jugendkirche, die zahlreiche Jugendangebote macht, und Freizeiten organisiert. Da gibt es Wartelisten, und die Eltern unterstützen das, egal ob sie in der Kirche sind oder nicht. 

Wir haben es geschafft, in allen Gemeinden Gemeindekirchenräte zu wählen. Es gibt immer noch genügend Menschen, die sich interessieren und die Kirche nach außen vertreten wollen. 

KNA: Im letzten Jahr gab es in der EKD das Jahr der Taufe. Wie hat sich das in Anhalt ausgewirkt?

Liebig: Wir hatten 2023 tatsächlich leicht erhöhte Taufzahlen, rund 160 gegenüber 146 im Jahr davor. In den Gemeinden, in den Schulen, in den Kindertagesstätten haben wir neu über das Thema Taufe gesprochen. Es gab Tauffeste und Tauferinnerungsfeiern. 

Der Gedanke allerdings, der heutzutage modern ist, dass das nicht die Eltern, sondern die Kinder später entscheiden sollen, ist natürlich auch hier präsent. Insofern ist das immer ein geduldiges Weitermissionieren. 

Taufe eines Säuglings (shutterstock)

Aber da sage ich: Es geht ja nicht um die Kirchenmitgliedschaft, sondern um das Heil der Kinder. 

Und ich freue mich, dass mein jüngstes Enkelkind in Kürze getauft werden wird. Bei diesem Gedanken fühle ich mich gleich wohler.

KNA: Wenn man Sie so hört, klingt es insgesamt jetzt nicht so katastrophal, wie es einem die EKD gerne erzählt. Deswegen: Warum will denn dann in Anhalt niemand Kirchenpräsident werden?

Joachim Liebig

"Es ist ja nicht so, dass wir führungslos sind."

Liebig: Sie werden verstehen, dass ich mich dazu nur sehr zurückhaltend äußern möchte. Ich muss das Ergebnis der gescheiterten Wahl im September 2023 zur Kenntnis nehmen. Und bin gleichzeitig hoffnungsfroh, dass sich in absehbarer Zeit jemand finden wird für dieses wunderbare Amt. Es ist ja nicht so, dass wir führungslos sind.

Es gibt verfassungsrechtliche Grundlagen, wie jetzt zu verfahren ist. Der Landeskirchenrat leitet die Landeskirche, das geht eine Weile auch ohne Kirchenpräsident. 

Das Amt ist und bleibt aber zentral. Bei aller Kollegialität und gemeinschaftlichen Lenkung: Ich glaube, es waren eher persönliche synodale Angelegenheiten, um die es bei der Nicht-Wahl ging.

KNA: Was ist denn das Reizvolle an dem Posten, gerade in Anhalt leitender Geistlicher zu sein?

Joachim Liebig

 "Anhalt bietet viele Möglichkeiten, eben weil es nicht so riesig und der Apparat überschaubar ist." 

Liebig: Anhalt bietet viele Möglichkeiten, eben weil es nicht so riesig und der Apparat überschaubar ist. Da kann man sich auch als einzelne Führungsfigur Dinge ausdenken und dann gemeinschaftlich in überschaubarer Zeit umsetzen. Oder auch Misserfolge haben, das habe ich auch erlebt. 

Es gibt in Anhalt wenige Gremien, und man ist näher beieinander, als ich das aus anderen, größeren Zusammenhängen kenne. Das ist eine echte Chance. Ich kenne kaum eine andere Kirche in Deutschland, bei der das vergleichbar wäre, vielleicht noch Schaumburg-Lippe. 

KNA: Ist Anhalt dadurch schwieriger zu leiten als andere Landeskirchen?

Liebig: Im Gegenteil, die Wege sind kürzer, der Kontakt direkter. Man kann sich als Führungsfigur in unserer Landeskirche nicht hinter Gremienentscheidungen verstecken, sondern man muss für seine Linie einstehen. Das halte ich für eine großen Vorteil.

KNA: Was würde mit Anhalt passieren, wenn der Finanzausgleich der EKD wegbrechen würde?

Liebig: Das wäre natürlich ein massiver Eingriff, ganz unstrittig. Aber es wäre doch nicht die prinzipielle Frage daran zu knüpfen, ob es mit Anhalt weitergeht. Diese Frage würde sich erst dann stellen, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, den Dienst unserer Gemeinden zu gewährleisten. Und das sehe ich nicht. 

Wenn der Finanzausgleich wegfiele, würden wir mit Hilfe der Rücklagen eine Übergangsphase beginnen, in der wir unser Verbundsystem, also unsere Stellenpläne, entsprechend anpassen müssten. Danach ginge es dann aber weiter.

KNA: Ein anderes Thema, das immer mal wieder diskutiert wird, ist die Abschaffung der Staatsleistungen. Was würde das für Anhalt bedeuten?

Joachim Liebig

"Die Staatsleistungen sind eine feste Einnahmequelle, deswegen bin ich ganz froh, dass die Debatte darüber erstmal vom Tisch ist."

Liebig: Das wäre in der Tat der schwerwiegendere Einschnitt. Die Staatsleistungen sind eine feste Einnahmequelle, deswegen bin ich ganz froh, dass die Debatte darüber erstmal vom Tisch ist.

Allerdings muss man abwarten, wie sich die politischen Verhältnisse in Deutschland entwickeln. Das Thema kann schnell wieder aktuell werden.

Ich gehe jedoch in keinem Fall davon aus, dass die Staatsleistungen von heute auf morgen eingestellt würden. Es würde bei einer Einigung auf das Verfahren eine Ablösesituation geben. Ich bin gemäßigt optimistisch, dass sich dann auch für Anhalt Optionen ergeben würden.

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA