Kirchenrechtler bewertet Tebartz-Rücktritt vor zehn Jahren

"Äußerst schonend behandelt"

Vor zehn Jahren hat der Rücktritt von Tebartz-van Elst Wellen geschlagen. Heute arbeitet er als Kurienbischof in Rom. Wie geht der Vatikan mit Bischöfen um, denen Fehlverhalten nachgewiesen wird? Sollte es dafür klarere Regeln geben?

Kurienbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst / © Christian Gennari (KNA)
Kurienbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst / © Christian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am 26. März 2014 hat Papst Franziskus den Rücktritt des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst angenommen. Kann man diese Amtsenthebung im Nachhinein als Strafe für Fehlverhalten betrachten? Der Vatikan schrieb damals nur davon, dass eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Bistum Limburg für ihn nicht mehr möglich sei.

Bernhard Sven Anuth (privat)
Bernhard Sven Anuth / ( privat )

Prof. Dr. Bernhard Sven Anuth (Lehrstuhlinhaber für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen): Kirchenrechtlich ist der Bischof von Limburg damals weder seines Amtes enthoben noch strafweise abgesetzt worden. Papst Franziskus hat im März 2014 lediglich den freiwilligen Amtsverzicht angenommen, den der Bischof ihm zuvor angeboten hatte, als der Konflikt im Bistum Limburg hochgekocht war.

Tatsächlich hieß es in der Pressemitteilung aus Rom damals ja nur, es sei in der Diözese Limburg zu einer Situation gekommen, in der Bischof Tebartz-van Elst sein bischöfliches Amt nicht mehr fruchtbar ausüben könne.

Wer dafür verantwortlich war, ließ der Heilige Stuhl offen, dafür aber zugleich mitteilen, der Bischof werde zu gegebener Zeit eine neue Aufgabe erhalten. Ich würde sagen, damit hat der Papst den Bischof im Rahmen des Möglichen äußerst schonend behandelt.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn ein klares, kirchenrechtliches Verfahren dafür, wie man einen Bischof des Amtes enthebt?

Anuth: Papst Franziskus hat im Jahr 2016 eine Verfahrensordnung zur Amtsenthebung von Diözesanbischöfen erlassen, die ihre Sorgfaltspflicht im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs schwer verletzt haben. Als Papst ist er an solche Verfahrensvorschriften allerdings selbst nicht gebunden. 

Die eben besprochene Annahme des Rücktritts von Bischof Tebartz-van Elst ist dafür ein schönes Beispiel. Nach dem Kirchenrecht ist ein Rücktrittsangebot nämlich nur drei Monate gültig. Ein Bischof kann deshalb den Rücktritt eines Pfarrers nach Ablauf dieser Frist nicht mehr rechtswirksam annehmen. Der Papst hingegen konnte den Amtsverzicht des Bischofs von Limburg auch Ende März 2014 noch gültig annehmen, obwohl seit dessen Angebot Mitte Oktober 2013 deutlich mehr als drei Monate vergangen waren. 

Entsprechend gilt auch für die Amtsenthebung von Bischöfen, dass der Papst kirchenrechtlich "Herr der Gesetze" ist und deshalb jederzeit frei ist, einen Diözesanbischof auch ohne geordnetes Verfahren seines Amtes zu entheben oder ihn zu versetzen. Der Diözesanbischof von Evreux in Frankreich, Jacques Gaillot, ist 1995 zum Beispiel vom Papst auf den Titularsitz eines untergangenen Bistums versetzt und so aus seinem Leitungsamt entfernt worden.

DOMRADIO.DE: Also braucht es auch nicht zwingend ein Rücktrittsangebot des Bischofs an den Papst?

Anuth: Nein, das braucht es nicht. Der Papst kann einen Bischof wie einen Beamten jederzeit absetzen.

DOMRADIO.DE: Heute arbeitet Tebartz-van Elst als Delegat, also Bischof für Sonderaufgaben in Rom. Muss man für jeden entfernten Bischof eine neue Verwendung finden?

Anuth: Auch über die Wieder- oder Weiterverwendung ehemaliger Diözesanbischöfe kann der Papst völlig frei entscheiden. Wo ein Bischof nicht alters- oder krankheitsbedingt aus dem Amt geschieden ist, kann er ihm durchaus eine neue Aufgabe zuweisen, muss das aber keineswegs. 

Bernhard Sven Anuth

"Der Papst kann einen Bischof wie einen Beamten jederzeit absetzen."

Kirchenrechtlich gilt: Wer jemanden eines Amtes enthebt, das dessen Lebensunterhalt dient, soll dann zumindest übergangsweise seine Versorgung sicherstellen. Auch diese Regel bindet den Papst zwar rechtlich nicht, er dürfte sich ihr aber doch wohl moralisch verpflichtet fühlen. 

In Deutschland haben emeritierte Diözesanbischöfe allerdings einen durchaus nennenswerten Pensionsanspruch. Wirtschaftlich gab es insofern keinen zwingenden Grund, Tebartz-van Elst ein neues Amt in Rom zu übertragen. Aber er war damals ja schließlich erst Mitte Fünfzig und zudem ehemaliger Professor für Pastoraltheologie mit Expertise in Bezug auf Katechese und Neuevangelisierung.

Offenbar wollte der Papst auf einen so qualifizierten Mitarbeiter nicht verzichten und hat ihn deshalb schon Ende 2014 zum Delegaten im Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung ernannt.

DOMRADIO.DE: Wäre eine Entlassung aus dem Klerikerstand eine einfachere Lösung für einen Bischof, dem Fehlverhalten nachgewiesen wird? Was hätte das für Konsequenzen für sein Amt?

Anuth: Eine Entlassung aus dem Klerikerstand erfolgt in der Regel aufgrund eines entsprechenden Gnadengesuchs, zum Beispiel weil ein Kleriker heiraten will oder aber strafweise und ist dann die effektiv höchste Strafe, die das Kirchenrecht für Kleriker kennt, weil Betroffene mit ihrer Entlassung alle kirchenrechtlichen Gehalts- oder Unterhaltsansprüche einbüßen. Wer aus dem Klerikerstand entlassen wird, verliert zudem von Rechts wegen alle Kirchenämter, die er bis dahin gegebenenfalls innehatte. 

Vor diesem Hintergrund erscheint mir im Falle eines nur einfachen "Fehlverhaltens" sowie bei nur einzelnen Rechts- oder Amtspflichtverletzungen von Diözesanbischöfen die Entlassung aus dem Klerikerstand nach den Standards des von Papst Franziskus erst 2021 revidierten kirchlichen Strafrechts als eine deutlich zu weitreichende und insofern unangemessene Strafe. Der Papst ist im oben genannten Sinn allerdings völlig frei, im Einzelfall gegebenenfalls auch anders zu entscheiden.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

So funktioniert der Rücktritt eines Bischofs

Ein Bischof der römisch-katholischen Kirche kann nicht selbst zurücktreten, laut Kirchenrecht kann er dem Papst aber seinen Amtsverzicht anbieten. Wenn das Gesuch vom Heiligen Vater angenommen wird, behält der Betreffende den Titel eines Bischofs, denn die Bischofsweihe als Sakrament gilt als unumkehrbar. Aus einem Diözesanbischof als Vorsteher eines Bistums wird aber ein Titularbischof.

Ein Pileolus: Kopfbedeckung eines Bischofs / © N.N. (KNA)
Ein Pileolus: Kopfbedeckung eines Bischofs / © N.N. ( KNA )
Quelle:
DR