Kirchentag diskutiert über Klimakrise

Hitzige Debatte über Schuld und Verantwortung

Hitzig sind die Debatten zur Klimakrise auch auf dem Kirchentag. Vizekanzler Robert Habeck geht scharf mit der "Letzten Generation" ins Gericht, und Klimaaktivistin Clara Hinrichs kontert. Letztlich geht es um Taten.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht neben Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation / © Daniel Karmann (dpa)
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht neben Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation / © Daniel Karmann ( dpa )

Provokant war schon der Titel des Podiums: "Wer hat's verbockt?" Um Schuld und Verantwortung in der Klimakrise sollte es gehen, doch schnell zeigte sich am Freitag in der mit über 4.000 Kirchentagsbesuchern gefüllten Nürnberger Messehalle: Die Schuldfrage ist zweitrangig, wenn überhaupt. "Es geht nicht darum, wer es verbockt hat, sondern: Was um alles in die Welt machen wir jetzt?", mahnte Klimaaktivistin Clara Hinrichs.

In diesem Punkt war sie sich mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einig, der eigens den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) bemühte, um zu erklären, warum hier keiner ohne Schuld sei: "Man kann nicht schuldfrei sein, auch wenn man keine Verantwortung übernimmt." Umgekehrt sei es wichtig, in der Gegenwart Verantwortung zu übernehmen, "auch wenn man damit nicht moralisch unbefleckt aus der Sache herauskommt".

Habeck verurteilt "Letzte Generation"

Podiumsdiskussion am Deutschen Evangelischen Kirchentag mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck / © Daniel Karmann (dpa)
Podiumsdiskussion am Deutschen Evangelischen Kirchentag mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck / © Daniel Karmann ( dpa )

Der Vizekanzler brach es dann ganz praktisch herunter: Der Kirchentag selbst trage ja auch zur Steigerung des CO2-Verbrauchs bei. "Aber sollte er deshalb gar nicht erst stattfinden?" Das sei doch Unsinn.

Zumal sich die Kirchentage zu einem Ort entwickelt hätten, "wo zentrale gesellschaftliche Themen kritisch und konstruktiv diskutiert werden, von Jung und Alt. Es gibt nicht viele solche Orte."

Schuld und Verantwortung bei der "Letzten Generation" festzumachen, wollte Habeck sich dann aber doch nicht nehmen lassen. Scharf verurteilte er deren umstrittenen Aktionen, etwa sich auf Straßen festzukleben: "Dieser Protest verhindert eine Mehrheit für Klimapolitik. Er treibt die Leute weg." Am Morgen erst hatten sich Aktivisten vor dem Nürnberger Bahnhof festgeklebt. Als positives Gegenbeispiel nannte Habeck "Fridays for future". Sie hätten erfolgreich bewirkt, dass die damalige Bundesregierung die Gesetzgebung mit Blick auf den Klimaschutz gestärkt habe.

Klimaaktivistin hält dagegen

Klimaaktivistin Hinrichs, Sprecherin der "Letzten Generation", ließ sich davon nicht beirren: "Ja, wir jungen Menschen haben etwas zu sagen, und wir werden uns auch nicht davon abhalten lassen." Man wolle die Stimme der Jugend hören, aber die Ambivalenz, die ihrer Generation gegenwärtig entgegengebracht werde, mache ihr auch Angst.

Eindrucksvoll berichtete sie davon, wie unlängst ein bewaffnetes Einsatzkommando der bayerischen Polizei frühmorgens ihre WG stürmte und sie sich mit dem Vorwurf der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung konfrontiert sah.

Hinrichs will einen Plan, wie die Klimakrise konkret und gesamtgesellschaftlich angegangen werden kann. Und da entlässt sie Habeck auch nicht aus der Verantwortung. Beide Kontrahenten ernten vom Publikum immer wieder Applaus, der Vizekanzler auch mal Buh-Rufe, ebenso Standing Ovations. Habeck mahnte, um mehr Menschen zum Engagement für Klimaschutz zu motivieren, müsse man mehr übers Gelingen und erfolgreiches Handeln sprechen.

"Der Druck muss erhöht werden"

Für die Soziologin und Klimaforscherin Anita Engels ist es jedoch nicht nur eine Frage der Kommunikation: "Die bewusste Ablehnung von Schuld und Verantwortung etwa der Industrie untergräbt die Motivation von allen anderen, sich auf Veränderung einzulassen und sich dafür einzusetzen." Viele Studien zeigten: Unternehmen stellten sich oft erst dann ihrer Verantwortung, wenn die Politik per Gesetz Vorschriften verschärfe oder finanzielle Anreize biete. Für Engels ist die Sache klar: "Der Druck muss erhöht werden - und auch die Kirchen haben hier eine große Verantwortung."

Passend dazu verabschiedet der Kirchentag am Ende des Podiums eine Resolution, die eine zügige Umsetzung des Pariser Klimaabkommens "ohne Wenn und Aber" fordert. Die Schere zwischen Erforderlichem und Erreichtem werde immer größer. Zu den Adressaten der Resolution gehören die Bundesregierung, der Deutsche Städtetag, Kirchen und Gewerkschaften. Notwendig sei etwa der Abbau klimaschädlicher Subventionen. Klimaschutz müsse zur Pflicht- und Gesellschaftsaufgabe werden.

Robert Habecks Schlusssatz erntet Applaus und vielleicht nicht nur auf dem Kirchentag eine Mehrheit: "Das Mittel gegen Ohnmacht ist: Hoffnung in Taten umsetzen!"

Deutscher Evangelischer Kirchentag

Der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) ist eine Großveranstaltung protestantischer Laien. Sie laden alle zwei Jahre in eine andere Stadt ein. Dort stehen Gottesdienste, Bibelarbeiten, Diskussionen, Konzerte und Feste auf dem Programm.

Der erste DEKT fand 1949 in Hannover statt. Seit 1959 wechseln sich die Treffen in der Regel im Zweijahresrhythmus mit den Katholikentagen ab. Rechtsträger ist der "Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages" mit Sitz in Fulda.

Evangelischer Kirchentag in Dortmund / © Benito Barajas (epd)
Evangelischer Kirchentag in Dortmund / © Benito Barajas ( epd )
Quelle:
KNA