Europa ist größer als die EU – das zeigt sich auch bei der kommenden kontinentalen Etappe der weltweiten Synode der katholischen Kirche. Bischöfe, Theologen und Laien aus 39 Ländern sind dabei – von Portugal bis nach Russland und von Island bis Albanien. Ab Sonntag (5. bis 9. Februar) beraten 200 Delegierte in Präsenz sowie 390 online zugeschaltet über ein Papier, das unter dem Titel "Mach den Raum deines Zeltes weit" in den vergangenen Monaten schon für einiges Aufsehen sorgte.
Beobachtungen und Anregungen aus allen Teilen der Welt
Zwar ist es bei weitem nicht so revolutionär und mit genauen Forderungen nach Veränderungen der kirchlichen Lehre und Struktur gespickt wie die meisten Texte des "Synodalen Wegs" in Deutschland.
Doch es enthält Beobachtungen und Anregungen aus allen Teilen der Welt, die zeigen, dass nicht nur in Deutschland die Zeichen der Zeit für die katholische Kirche auf Veränderung stehen.
Das gilt bei Themen wie Transparenz oder Laien-Mitbestimmung in der Kirche, bei der Frage nach dem Pflichtzölibat für Priester, der Rolle der Frauen und auch beim Thema Sexualität. Selbst in Afrika ist die Frage angekommen, welchen Platz gleichgeschlechtlich Liebende in der Kirche haben; und so wurde sie denn auch in das "Zelt-Dokument" aufgenommen. Dieses wird außer in Europa bis Ende März auch noch in sechs weiteren Kontinental-Versammlungen beraten.
Vertraute Themen – andere Form
Dass das Thema homosexueller Beziehungen bei den Beratungen in der Europa-Etappe eine Rolle spielen wird, ist so gut wie sicher – und das nicht nur, weil die deutsche Delegation mit den entsprechenden Beschlüssen des deutschen Synodalen Wegs im Gepäck nach Prag reist.
Ob die Gesandtschaft um den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, allerdings die Schwestern und Brüder in Prag mit ihren weitgehenden Forderungen auf diesem Gebiet nachhaltig beeindrucken werden, die in Deutschland an einer Sperrminorität von Bischöfen scheiterte, ist ungewiss. Ähnliches gilt für die Frage der Frauenweihe, die längst nicht mehr allein in Deutschland ein Thema ist.
Auch wenn manche Themen vertraut klingen – für die in synodalen Abstimmungsschlachten und Geschäftsordnungs-Debatten gestählten deutschen Vertreter werden die Tage in Prag wie ein Eintauchen in eine andere Welt sein. Statt Kampfabstimmungen um einzelne Sätze und Worte in theologischen Grundsatztexten sind in Prag gemeinsames Beten, geduldiges Zuhören, gegenseitiges "Resonanz geben" und "Bedenken der Früchte" angesagt.
Vorbereitung für nächste Phase
Zwar wird es am Ende auch hier einen Schlusstext geben; aber der soll ausdrücklich kein Forderungskatalog gemäß einer vorformulierten Reform-Agenda werden. Er soll vielmehr den Verantwortlichen im römischen Synodensekretariat helfen, ein endgültiges Arbeitspapier für die im Oktober in Rom beginnende weltweite Phase der Synode zu entwickeln. Wie das gehen wird, ist völlig offen.
Ob es den deutschen Teilnehmern mit Bätzing und der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, an der Spitze gelingt, sich in diesem geistlichen Fluidum zurechtzufinden? Und werden die Deutschen, zu denen auch der inoffizielle Cheftheologe des Synodalen Wegs gehört, der in Bochum lehrende Bibelwissenschaftler Thomas Söding, ihre Thesen und Positionen so einbringen können, dass manches davon bis nach Rom durchgetragen wird?
Brückenbauer sind gefragt
Die Geschäftsordnung der Kontinentaletappe sieht vor, dass – ähnlich wie in der UNO oder im Europarat - bei dem Treffen kleine und große Länder gleich stark vertreten sind. Durch eine personelle Besonderheit erhält jedoch die Delegation aus Luxemburg besonderes Gewicht: Ihr gehört Kardinal Jean-Claude Hollerich an. Der Luxemburger Erzbischof ist auch Generalberichterstatter der letzten, römischen Etappe. Davon, wie er später die Dinge auf den Punkt bringen wird, hängt viel für den weiteren Fortgang ab.
Dass zwischen ihm und Bätzing (der war im Bistum Trier einst Hollerichs nächster Nachbar) ein kürzerer Draht besteht als etwa zwischen Stetter-Karp und dem Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, liegt auf der Hand. Zufällige persönliche Konstellationen wie diese haben auch bei früheren Synoden immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. Sie könnten auch diesmal dazu beitragen, dass sich am Ende überraschende Gemeinsamkeiten ergeben.
Als Brückenbauer sind außer den Luxemburgern auch die Vertreter anderer Länder gefragt, die durch ihre geografische Lage und sprachliche oder historische Verbindungen in benachbarte kulturelle Räume hinein ausstrahlen. Das gilt etwa für die Österreicher in Richtung Ost- und Südosteuropa und für die Schweizer in Richtung Frankreich oder Italien. Das Abschlusspapier, das am Ende dann noch einmal von den in Prag versammelten Bischöfen gesondert zwei Tage lang beraten und abgewogen werden soll, könnte im Nachhinein Aufschluss über einige dieser Prozesse geben.