Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben ein sofortiges Ende der russischen Militärinvasion in der Ukraine gefordert.
"Wir sind erschüttert über die aktuelle Entwicklung und rufen die Russische Föderation dazu auf, weitere Aggressionen zu unterlassen", erklärten der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, bei einem gemeinsamen Treffen am Donnerstag in Bonn.
"Russland muss die militärischen Angriffe unverzüglich stoppen und die territoriale Integrität der Ukraine vollumfänglich anerkennen." Der Angriff Russlands auf die Ukraine gefährde das Friedensprojekt Europa.
Die Ukraine mit ihrem reichen Kulturerbe habe ein Recht auf nationale Selbstbestimmung, die in diesen Tagen mit Füßen getreten werde, betonten Bätzing und Kurschus. "Als Christen glauben wir, dass Frieden möglich ist und verschlossene Türen wieder geöffnet werden können", unterstrichen sie.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz und die Ratsvorsitzende riefen die Christinnen und Christen in Deutschland auf, für die Opfer der Gewalt zu beten. "Wir wissen uns ökumenisch in dieser angespannten politischen Lage besonders miteinander verbunden und sind in Gedanken bei den Menschen in der Ukraine." Die im November zur Ratsvorsitzenden gewählte Kurschus hatte am Donnerstag ihren Antrittsbesuch bei Bätzing in Bonn absolviert.
Bischof Overbeck tief besorgt
Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck zeigte sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine tief besorgt.
"Der Angriff auf die Ukraine ist aufs Schärfste zu verurteilen. Meine Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine, die gerade schreckliche Ängste ausstehen und oft um ihr Leben fürchten müssen. Ihr Schicksal darf uns nicht unberührt lassen", erklärte der Ruhrbischof in Essen.
"Beten wir gemeinsam für Sie und für alle, die in diesen Stunden alles Menschenmögliche versuchen, um eine weitere Eskalation zu verhindern."
Erzbischof Schick verlangt Sanktionen gegen "russische Machtgelüste"
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat sich unterdessen für robuste Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Es gehe darum, "russische Machtgelüste" in die Schranken zu weisen, sagte Schick am Donnerstag.
"Erst dann kann der Weg der Diplomatie wieder aufgenommen werden." Es müsse alles dafür getan werden, dass die Auseinandersetzung durch Verhandlungen gelöst werde, forderte der Erzbischof, der bis vergangenes Jahr der Weltkirche-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz war. Es sei Gefahr in Verzug, auch für die Menschen in Deutschland, wenn sich der Konflikt weiter ausweite.
Schick verwies auf die befürchteten Flüchtlingsströme aus der Ukraine. Diese könnten destabilisierend wirken. Es bestehe dann die Gefahr terroristischer Akte. Der Erzbischof sprach von einer "Gefahr für den Frieden in ganz Europa".
Ziel aller Diplomatie müsse zudem sein, stabile Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, konkret der Europäischen Union, herzustellen. Dafür sei "viel Geduld und lange Zeit" erforderlich. so Schick. Er rief zum Gebet für Frieden auf.
Thüringer Bischöfe rufen zu Friedensgebeten für Ukraine auf
Die Thüringer Bischöfe Friedrich Kramer und Ulrich Neymeyr haben angesichts des russischen Angriffs die Kirchengemeinden zu Friedensgebeten für die Ukraine aufgerufen. "Macht die Kirchen auf, damit Menschen hier einen Ort für ihr Gebet finden können", erklärte Kramer am Donnerstag in Erfurt. Der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ist auch Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Neymeyr mahnte zum Beistand auch für die in Thüringen lebenden Ukrainerinnen und Ukrainer. "Sie sind zwar in Sicherheit, aber sie müssen jetzt um das Leben von Freunden und Verwandten in ihrer Heimat und um die Zukunft der Ukraine fürchten", betonte der Bischof des katholischen Bistums Erfurt. Die ersten Friedensgebete vor der friedlichen Revolution in der DDR hatte es in Erfurter Kirchen gegeben.
Auch Bayerns Bischöfe rufen zum Friedensgebet auf
Die Bischöfe Franz Jung (Würzburg) und Rudolf Voderholzer (Regensburg) haben zum Gebet für den Frieden in Europa und in der Ukraine aufgerufen.
"Europa steht unter Schock. Was sich die vergangenen Tage abzuzeichnen begann, ist nun zur traurigen Gewissheit geworden: ein Angriffskrieg in Europa und ein eklatanter Bruch des Völkerrechts", sagte Jung am Donnerstag in Würzburg. Es sei dringend an der Zeit, auf militärische Gewalt zu verzichten und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Voderholzer erinnerte in Regensburg daran, dass jeder Mensch berufen sei, seine Mitmenschen als Schwestern und Brüder zu erkennen. "Bitte lassen Sie uns deshalb darum beten, dass sich die verfeindeten Parteien die Hände reichen, dass sie mit aller gebotenen Klugheit und den Gaben des Heiligen Geistes um Gerechtigkeit ringen", heißt es auf der Internetseite des Bistums.
Zugleich erinnerte der Bischof an die Worte von Papst Johannes Paul II. vom Januar 2003: "Nein zum Krieg! Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage für die Menschheit." Die Pfarreien erhalten Gebetsvorschläge unter www.bistum-regensburg.de.
In Würzburg findet am Freitag (25. Februar) in Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft Sant'Egidio ein ökumenisches Friedensgebet um 19.00 Uhr im Kiliansdom statt. Auch in anderen Städten sind Gebete geplant.
Erzbischof Heße besucht ukrainisch-katholische Gemeinde
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße will unterdessen am Sonntag (11 Uhr) mit der ukrainisch-katholischen Gemeinde in Hamburg-Neugraben einen Gottesdienst feiern.
Die Liturgie leitet Pfarrer Pavlo Tsvok, Heße hält die Predigt, wie das Erzbistum Hamburg am Donnerstag ankündigte.
Heße wolle damit ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine setzen und mit ihnen für den Frieden in der Region beten.
Der Erzbischof hatte die Gemeinden im Erzbistum Hamburg bereits in der vergangenen Woche aufgerufen, für eine friedliche Beilegung des Russland-Ukraine-Konflikts zu beten. In der Nacht zum Donnerstag griffen russische Truppen die Ukraine an.
Die griechisch-katholische Kirche der Ukraine ist eine Teilkirche der römisch-katholischen Kirche. Sie untersteht deren Jurisdiktion, folgt aber in der Liturgie dem byzantinischen Ritus. Zu ihr bekennen sich nach Angaben des Vatikan weltweit rund 4,5 Millionen Christen. Damit ist sie die größte unter den mit Rom unierten Ostkirchen. In der mehrheitlich orthodoxen Ukraine ist etwa jeder zehnte Einwohner griechisch-katholisch.
Kirchenvertreter bekunden Solidarität vor ukrainischer Botschaft
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben Spitzenvertreter der katholischen Kirche in Berlin ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk bekundet. Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, und der Geschäftsführer der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Jörg Lüer, begaben sich am Donnerstag zur Botschaft des Landes in Berlin, legten Blumen nieder, entzündeten Kerzen und beteten für Frieden. Zugleich bekundete Jüsten sein Mitgefühl mit den Opfern. Er sprach von einem "Zeichen der Solidarität, das Christen in dieser schweren Stunde" geben könnten.
Das Katholische Büro vertritt die Kirche in der Bundespolitik. Die Deutsche Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) ist ein Gremium mit Vertretern von Hilfswerken und weiteren Organisationen der katholischen Kirche, die sich weltweit engagieren.
Träger sind die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
In einem Gastbeitrag für die Boulevardzeitung "B.Z." wandte sich der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich gegen pauschale Feindbilder in dem Konflikt. Er äußerte die Überzeugung, "dass die allermeisten Menschen keinen Krieg wollen, keine Kriegsdrohungen oder Säbelrasseln".
Heinrich betonte: "Auf welcher Seite von Mauern oder Grenzen sie auch stehen: Sie sorgen sich in gleicher Weise um ihre Kinder, die zum Militärdienst verpflichtet werden, um Kinder, denen ein Krieg die Zukunft verbaut, um die Alten und Kranken in ihrer Familie, aber auch um ganz alltägliche Dinge wie Heizung, Nahrung und die Luft zum Atmen."
In dem Konflikt dürfe es "nicht zuerst um historische Ansprüche oder aktuelle Vereinbarungen gehen", schrieb der Weihbischof des Erzbistums Berlin: "Es geht um Menschen, und die allermeisten von ihnen sehnen sich nach Frieden."
Bischöfe Baden-Württembergs für intensive Friedensbemühungen
Die evangelischen und katholischen Bischöfe Baden-Württembergs haben die russische Regierung aufgefordert, den Angriff auf die Ukraine zu stoppen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der Krieg treffe eine "ohnehin schon notleidende und schwer traumatisierte Bevölkerung". Schon jetzt seien drei Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, nun werde diese Zahl noch einmal steigen.
Die Bischöfe kritisieren einen "eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht". Krieg und Waffengewalt seien keine Lösung für Probleme, sondern vergrößerten nur Leid und Unrecht. Die zwei katholischen Bischöfe Gebhard Fürst und Stephan Burger sowie die beiden evangelischen Landesbischöfe Jochen Cornelius-Bundschuh und Frank Otfried July riefen ihre Gemeinden auf, im Gebet für den Frieden nicht nachzulassen.