Kölner Dom dient als Erdbeben-Messstation und erfasst eigene Bewegung

Schwingende Türme

Moderne Technik in mittelalterlicher Architektur: Der Kölner Dom ist nicht nur ein Wahrzeichen, sondern Teil der Erdbebenüberwachung im Rheinland. Die Sensoren liefern auch wichtige Erkenntnisse über das Bauwerk.

Autor/in:
Andreas Otto
Blick auf den Kölner Dom / © fokke baarssen (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © fokke baarssen ( shutterstock )

Der Kölner Dom ist vieles: ein Ort zum Gebet, ein gotisches Bauwerk mit massiven und filigran gearbeiteten Natursteinen, eine Stätte mittelalterlicher bis moderner Kunst und mit seiner Ausgrabung ein Magnet für Archäologen. Außerdem bietet das Bauwerk etwas, was die meisten der jährlich sechs Millionen Besucher nicht sehen: Der Dom spielt eine wichtige Rolle bei der Erdbebenüberwachung - und zwar mit gleich fünf Messpunkten.

Seit mehr als 20 Jahren erfassen Sensoren in der Ausgrabung, auf dem Gewölbe der Chorhalle sowie im Nordturm in 75, 100 und 130 Metern Höhe Erschütterungen. Sämtliche Daten laufen bei Martin Zeckra zusammen, der die in den 1950er Jahren aufgebaute Erdbebenstation Bensberg leitet und damit ein Netz von rund 40 Stationen zur Überwachung der Kölner Bucht.

Kreuzblume fiel von Kathedrale

Der Seismologe nennt mehrere Gründe, warum ausgerechnet der Dom Teil der Erdbebenkontrolle geworden ist. 1951 erschütterte ein Beben mit einer Stärke von 5,8 auf der Richterskala das Rheinland. Obwohl das Epizentrum nahe dem Eifel-Ort Euskirchen lag, stürzten auch in Köln über 100 Kamine und Dachziegel zu Boden. Am 13. April 1992 gab es ein ähnlich starkes Beben: Die Stoßwellen kamen vom niederländischen Roermond, rund 100 Kilometer entfernt vom Kölner Dom. Dennoch fiel eine steinerne Kreuzblume von der Südseite der Kathedrale. "Daher ist es spannend, den Dom selbst zu überwachen", so Zeckra.

Martin Zeckra, Leiter der Erdbebenstation Bensberg, checkt eine Messstation für Erdbeben im Kölner Dom. / © Andreas Otto (KNA)
Martin Zeckra, Leiter der Erdbebenstation Bensberg, checkt eine Messstation für Erdbeben im Kölner Dom. / © Andreas Otto ( KNA )

Darüber hinaus verweist Zeckra auf die besonderen Bodenverhältnisse unter dem Dom. Die rheinische Bucht vergleicht er mit einer Wanne aus Sand. Die bis zu einem Kilometer in die Tiefe reichende Masse hat bei starken Erdbeben zwei gegenläufige Effekte: Zum einen dämpft sie hohe Frequenzen und lässt etwa Gläser unbewegt im Schrank stehen. Die niederfrequenten langen Schwingungen aber können große Gebäude wie den Dom in Schwingungen versetzen - ähnlich wie der Gleichschritt einer größeren Gruppe eine Brücke. Zeckra sagt aber zur Beruhigung: "Es gibt keine geologische Struktur, die den Dom zerreißen würde." Von Interesse sei aber, welche Verstärkungseffekte sich bei Erdbeben durch die Sand-Konstellation ergeben.

"Bauwerk besser zu verstehen"

Matthias Deml / © Melanie Trimborn (DR)
Matthias Deml / © Melanie Trimborn ( DR )

Ähnlich äußert sich der Sprecher der Kölner Dombauhütte, Matthias Deml. Der Dom, der im Zweiten Weltkrieg 14 schwere Sprengbombenangriffe überstanden habe, sei insgesamt "extrem erdbebensicher". Dennoch interessierten auch die Dombauhütte die Messungen der konservengroßen Geräte - "um das Bauwerk besser zu verstehen".

Zum Beispiel weiß man jetzt, was die größte Domglocke, der "decke Pitter", mit der Kathedrale macht. Wenn das 24-Tonnen-Schwergewicht zum Dreikönigsfest am 6. Januar oder zu anderen festlichen Gelegenheiten läutet, dann beschreibt das Mainzer Karnevalslied "Da wackelt der Dom" auch ganz gut die Kölner Verhältnisse.

"Beachtliche Zugkräfte"

Das ganze Gebäude gerät in Schwingung. Nicht nur der Südturm mit dem "decken Pitter", sondern auch der glockenlose Nordturm und das Langhaus pendeln in Ost-West-Richtung. Auch das Fundament gerät in Bewegung, allerdings in ganz anderer Richtung auf einer Südwest-Nordost-Achse. "Dieser dynamische Effekt und die Zugkräfte sind beachtlich", so Zeckra. "Aber die Schwingungen sind alle unterhalb einem halben Millimeter und damit in einer gut verkraftbaren Größenordnung."

Die Hightech-Sensoren - einer davon auf dem Abschlussring des mittelalterlichen Gewölbes über dem Dreikönigsschrein - registrieren genauso Erschütterungen, die nicht von Erdbeben herrühren. Durch den benachbarten Hauptbahnhof rollende Züge, U-Bahnen, Autoverkehr - die davon ausgehenden Schwingungen zeigen sich in einer Grafik als unzählige schwarze Punkte. Nur für die Nachtstunden weist die Tabelle eine weiße Leerstelle auf - wenn dann auch in der Großstadt mal alles zur Ruhe kommt.

Abfallender Klöppel

Ein besonderes Ereignis spiegelt sich auch in den seismischen Messungen am Dom. Am 6. Januar 2011 riss beim Festgeläut zum Dreikönigstag der Klöppel des "decken Pitter" ab. Das 800 Kilo schwere Teil fiel auf die Wartungsebene des Glockenstuhls und zerschlug zwei Holzdielen. Den genauen Zeitpunkt des Aufpralls liefern die Erdbebensensoren: 9.35 Uhr und 35 Sekunden.

Kölner Dombau

Für alle Arten von Baumaßnahmen und den Erhalt des Bauwerkes sind die Mitarbeiter der Dombauhütte zuständig. Damit setzen sie die Tradition der mittelalterlichen Bauhütten fort.

Heutzutage sind viele verschiedene Gewerke an dieser Arbeit beteiligt. Die größte Gruppe der ca. 60 Mitarbeiter bilden die Steinmetzen und Bildhauer, denn die Erneuerung des verwitterten Steinwerks ist die Hauptaufgabe der Dombauhütte. Hinzu kommen Dachdecker, Gerüstbauer, Schreiner, Maler, Elektriker sowie ein Schlosser und ein Schmied.

Steinmetzarbeit an der Dombauhütte / © Harald Oppitz (KNA)
Steinmetzarbeit an der Dombauhütte / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA