DOMRADIO.DE: Denken Sie, dass sich diese Inauguration im Ton vom Gepolter der letzten Wochen unterscheiden wird?
Arnd Henze (Journalist, Publizist und USA-Kenner): Ja und nein. Die erste Antrittsrede von Donald Trump vor acht Jahren hatte einen sehr düsteren Ton. Er hat alle überrascht. Das wird er diesmal vermutlich anders machen. Er hatte gestern seinen Auftritt vor seinen unmittelbaren Anhängern, wo er noch mal richtig im Wahlkampfstil gepoltert hat. Heute wird er sich wahrscheinlich ganz staatsmännisch geben nach dem Motto 'Ich bin der große Sieger. Ich habe einen triumphalen Wahlsieg hingelegt.' Und er wird wahrscheinlich ein goldenes Zeitalter versprechen.
DOMRADIO.DE: Wird das Ganze wie ein zivil gehaltener religiöser Akt?
Henze: Das sind diese Inaugurationen immer. Da wird der Ton gesetzt. Da wird gefeiert. Da werden viele Gebete gesprochen und die Auswahl der Teilnehmer ist ja auch schon eine Botschaft. Mit dabei wird diesmal etwa Franklin Graham sein, der Sohn des legendären Evangelisten Billy Graham, ein ganz entschiedener und sehr radikaler Unterstützer von Donald Trump.

Und der New Yorker Kardinal Dolan wird dabei sein, ein Trump-Unterstützer der frühen Zeit. Das ist insofern interessant, weil das Verhältnis von Donald Trump zur katholischen Kirche sehr komplex ist: Mit dem Papst liegt er ziemlich überkreuz. Gleichzeitig ist die katholische Kirche in den USA sehr gespalten. Es gibt ein starkes Trump-Lager und es gibt - gerade wenn es um die Flüchtlingsfrage geht - auch ein sehr Trump-kritisches Lager.
DOMRADIO.DE: Sie werden heute Abend diskutieren. Zum Beispiel mit John Bellinger, der Rechtsberater im Nationalen Sicherheitsrat war. Die frühere ARD-Hörfunkkorrespondentin in Washington, Martina Butler, wird auch dabei sein. Was werden Ihre Themen sein?
Henze: Es geht uns auch darum, dass es gut ist, das gemeinsam zu gucken. Von der Stimmung her will man am liebsten den Kopf in den Sand stecken und sich wegducken. Alleine vor der Glotze kann das schon für Viele ziemlich deprimierend sein. Wir gucken es im Gemeindehaus gemeinsam, können uns über die verschiedenen Signale, die vielen Symbole, die gesetzt werden, austauschen und versuchen dann hinterher, gemeinsam sprachfähig zu werden.
Dadurch, dass wir zwei amerikanische Gäste dabei haben, nämlich eine ehemalige schwarze demokratische Kongressabgeordnete und den früheren Rechtsberater John Bellinger, den Sie schon erwähnt haben, können auch Perspektiven vorkommen, die uns helfen. John Bellinger war in einer Zeit Rechtsberater als es der "War on Terror", der Krieg gegen den Terror in der US-Politik bestimmend war. Damals wollten große Teile der Regierung das Recht und den Rechtsstaat außer Kraft setzen und Folter zulassen.
John Bellinger war derjenige, der von innen heraus versucht hat, dagegen Widerstand zu leisten. Im Moment berät er viele Beamte in den amerikanischen Ministerien, die vor der Frage stehen, ob sie den Staat und die Institutionen kampflos Trump überlassen sollen, oder ob es eine Möglichkeit gibt, von innen heraus den Rechtsstaat zu verteidigen.
DOMRADIO.DE: Wie können wir mit der Tatsache umgehen, dass Trump-Berater, wie der Multimilliardär Elon Musk, anfangen, massiv in die Innenpolitik anderer Länder einzugreifen?
Henze: Das macht er bei uns mit der AfD. Das macht er in Großbritannien, indem er versucht, die Regierung mit einer Lügenkampagne auszuhöhlen. Wir sehen, dass die anderen Tech-Konzerne in eine ähnliche Richtung gehen und gucken, wie sie sich Trump ein Stück weit unterwerfen.
Der einzige Weg, der uns bleibt, ist unsere eigene Resilienz zu stärken und zu gucken, welche Instrumente wir haben, um Fake News weiterhin zu bekämpfen, Faktenchecks möglich zu machen. Wir haben da eine ganz starke europäische Rechtssetzung. Wir müssen dieses Schwert nutzen.
DOMRADIO.DE: Europa muss sich geschlossen auf diese zweite Amtszeit von Donald Trump einstellen?
Henze: Das wäre schön, wenn wir geschlossen wären, sind wir aber nicht. Wir müssen uns klar machen, dass Donald Trump mit Viktor Orban in Ungarn, mit Meloni in Italien und auch mit den ganzen rechtspopulistischen Kräften in Europa Verbündete hat. Umso wichtiger ist es, dass wir genau identifizieren, welche Vertreter in Europa für eine offene und liberale Gesellschaft stehen. Da ist Polen wichtig. Da ist Frankreich trotz aller internen Probleme wichtig.

DOMRADIO.DE: Trump hat als US-Präsident viel vor. 200 Dekrete will er im Laufe des Tages seines Amtseinführung beschließen. Er hat bereits eine große Abschiebewelle angekündigt. Halten sie es für möglich, dass das alles so kommt?
Henze: Ich denke, Trump wird auf Bilder und Symbole setzen. Dafür werden auch solche Bilder gehören, dass Einsatzkräfte versuchen, illegale Migranten zu erwischen. Er sagt immer, man ziele anfangs erst mal auf Kriminelle. Wobei er im Grunde alle Migranten zu Kriminellen erklärt hat. Die Grenze ist für ihn sehr fließend. Aber er will diese Bilder haben und damit überdecken, dass er das in der großen Zahl nicht umsetzen kann. Dafür sind die Strukturen gar nicht da. Zudem gibt es viele Städte, die nicht kooperieren wollen. Chicago gehört beispielsweise dazu.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.
Hinweis: Das Public Viewing der Amtseinführung von Donald Trump findet am Montag, 20. Januar 2025, ab 17.00 Uhr im Gemeindehaus-Fliestedenhaus in Köln-Braunsfeld statt.