Kölner Gemeindereferentin mahnt zu politischer Wachsamkeit

"Wir dürfen keine Angst haben"

Rund 40.000 Menschen waren bei der Demonstration "#5vor12 – Laut für Demokratie" in Köln unterwegs. Gemeindereferentin Marianne Arndt war auch dabei und predigt am Sonntag über Freiheit und Empathie in Kirche und Gesellschaft.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Teilnehmer der Demonstration "5vor 12 - Laut für die Demokratie" halten ein Schild mit der Aufschrift "Menschenrechte statt rechte Menschen". / © Christoph Reichwein (dpa)
Teilnehmer der Demonstration "5vor 12 - Laut für die Demokratie" halten ein Schild mit der Aufschrift "Menschenrechte statt rechte Menschen". / © Christoph Reichwein ( (Link ist extern)dpa )

DOMRADIO.DE: Es war ganz schön was los auf der Demonstration. Wie haben Sie das erlebt?

Marianne Arndt (Gemeindereferentin in St. Theodor und St. Elisabeth in Köln-Höhenberg/Vingst): Es war sehr beeindruckend und hat mir sehr viel Freude gemacht, so viele Menschen zu sehen. Das ist ein großes Zeichen der Hoffnung und der Stärkung. 

Marianne Arndt / © Rudolf Wichert (KNA)

DOMRADIO.DE: Vor über einem Jahr hat es in vielen deutschen Städten schon ähnliche Massenproteste gegen die AfD und die sogenannten Remigrationspläne gegeben. Bei den Landtagswahlen hat die AfD dann trotzdem abgeräumt. In Umfragen zur Bundestagswahl steht sie auf Platz zwei. Bringen solche Proteste also gar nichts? 

Arndt: Die Frage ist: Wie bearbeiten wir die Proteste nach und wie bringen wir sie nachhaltig in unsere Gesellschaft hinein? Da sehe ich eine große Verantwortung in den Vereinen, Verbänden, den politischen Parteien und vor allen Dingen natürlich auch in unseren Kirchen. Diese Demos sollen ja keine Eintagsfliege sein, kein Aufruf. Sie sollen manifestieren, dass der Rechtsruck keine Lösung für Deutschland ist.

Marianne Arndt

"Die Kirchen müssen das immer wieder thematisieren."

DOMRADIO.DE: Wie kann die Rolle der Kirchen aussehen?

Arndt: Die Kirchen müssen das immer wieder thematisieren. Wir müssen mit den Menschen in den Kirchen darüber reden. Wir müssen das Thema in unsere Predigten aufnehmen, in Gesprächen öffentlich machen, welches Leid und welches Schicksal von Diktaturen und autokratischen Systemen ausgeht. Ich spreche da von großen Ungerechtigkeiten, Krieg und Gewalt.

DOMRADIO.DE: Der Internationale Holocaust-Gedenktag soll uns genau daran erinnern. Sie feiern einen speziellen Gottesdienst zu diesem Tag und Sie werden auch selbst das Wort ergreifen. Was ist ihre Botschaft?

Arndt: Ich werde mich auf das Tagesevangelium beziehen. Jesus liest aus der Thora vor: "Ich bin gekommen und rufe ein Gnadenjahr des Herrn aus, um Zerschlagenen die Freiheit zu geben, um Blinden die Augen zu öffnen." Genau das ist unser Auftrag, diese Botschaft zu verkünden und zu leben. Das geht nur, wenn wir Freiheit und Empathie in unsere Gesellschaft hineinbringen, wenn wir angstfrei und differenziert denken können. Das ist wichtig, vor allem in unserer Kirchen, denn wir scheitern ja auch selber, sind selber auch eher ein autokratisches System. Das müssen wir reflektieren. 

Das machen wir unter anderem durch Ausstellungen, die noch bis zum 23. Februar bei uns in St. Theodor in Köln laufen: Es geht um Barbara Kirschbaum, die Cellistin von Auschwitz, Grigory Berstein oder eine Relektüre von Sven Bergelt. Da geht es um das Auschwitz-Gedenken. Am 7. Februar wird es bei uns um die Erfahrung von jüdischen Geflüchteten gehen, die gar nicht gehen wollten. Und das ist der Sprung in unsere heutige Zeit. 

DOMRADIO.DE: Viele Leute sagen, dass sie Angst vor dem haben, was gerade in unserem Land passiert. Aber sie könnten ja nichts dagegen tun. Was sagen Sie denen? 

Eine Person hält ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin trans und ich habe Angst" hoch. / © Clemens Sarholz (DR)
Eine Person hält ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin trans und ich habe Angst" hoch. / © Clemens Sarholz ( DR )

Arndt: Doch, jeder kann etwas tun. Jeder und jede von uns muss aufstehen und für Gerechtigkeit und Frieden einstehen, dafür, dass wir differenziert denken und allen gesellschaftlichen Klassen ein Leben in Würde ermöglichen. In unserem Grundgesetz, im ersten Artikel, steht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das kippt gerade und wir müssen aufpassen, aber wir dürfen keine Angst haben. Angst lähmt. Sie tut nicht gut. Freiheit, Hoffnung und Zuversicht sind die Dinge, die wir aufbringen müssen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR

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