DOMRADIO.DE: Offiziell sind Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare in der katholischen Kirche verboten. Aber daran halten sich einige Priester, Gemeindereferentinnen und -referenten oder Seelsorger nicht mehr - nicht nur im Erzbistum Köln. Geplant ist an diesem Mittwoch Abend ein Freiluft-Gottesdienst mit großem Chor unter dem Motto "All you need is love". Er findet in der Nähe des Doms statt, aber eben auf städtischem, nicht auf kirchlichem Boden. Monsignore Assmann, wie stehen Sie zu diesem Gottesdienst?
Monsignore Guido Assmann (Kölner Generalvikar): Wenn Menschen sich versammeln, um Gottesdienst zu feiern, ist das erst einmal etwas Wunderbares. Auf Gottes Wort zu hören, Gott zu loben, Lieder zu singen, ihre Bitten und ihre Sorgen vor Gott zu tragen - ob es in einer Kirche stattfindet oder unter freiem Himmel, bei einer Ferienfreizeit im Zeltlager, auf dem Roncalliplatz oder vor dem Bahnhof: Wenn Gott im Mittelpunkt steht, ist das erst einmal etwas Gutes und zu begrüßen.
DOMRADIO.DE: Ich höre ein Aber...
Assmann: Der Anlass dieses Gottesdienstes macht mir ein klein bisschen Bauchschmerzen, das möchte ich zugeben. Als der Vorschlag kam - gar nicht mal aus dem Erzbistum Köln, sondern aus dem süddeutschen Raum - am heutigen Tag, dem 20. September, dem Jahrestag der Einführung unseres Erzbischofs - bewusst ein Zeichen der Demonstration zu setzen, habe ich gedacht, Gottesdienst darf nie verzweckt werden.
Ein Gottesdienst dient dazu, Gott zu ehren, auf Gott zu hören, Menschen mit Gott in Berührung zu bringen. Er darf keineswegs ein Protest sein. Deswegen habe ich ein bisschen Bauchschmerzen dabei, wenn es ein Protest wäre. Ich höre aber in den letzten Tagen, dass diejenigen, die das jetzt initiieren, bewusst sagen, dass es ihnen nicht um Protest geht, sondern um die Menschen, die in der Kirche einen Zuspruch wünschen. Das finde ich schon gut und einen Schritt aufeinander zu. Wenn es dann so durchtragen wird, würde mich das auch wieder etwas ruhiger stimmen.
DOMRADIO.DE: Die Verantwortlichen zeigen mit diesem Gottesdienst heute großen Mut. Da sind Priester dabei, die aktuell noch nicht namentlich auftauchen, Gemeindereferentinnen und -referenten. Sie widersetzen sich katholischem Recht. Es bleibt die Frage, wie ist das aufzulösen? Den Menschen auf der Straße kann man kaum verständlich machen, dass Priester zum Beispiel Autos oder Tiere segnen dürfen, aber die Liebe gleichgeschlechtlicher Paare nicht. Wie erklären Sie das?
Assmann: Ich kann diese Spannung sehr, sehr gut verstehen. Und das ist eine Spannung, die wir aushalten müssen und mit der wir umgehen müssen. Deswegen ist es erst einmal gut, dass wir überhaupt darüber sprechen, nicht übereinander sprechen, nicht Vorurteile verfestigen, sondern darüber miteinander sprechen.
Dem Eindruck, dass Menschen, die sich lieben, nicht gesegnet werden können, möchte ich mich wirklich entgegenstellen. Denn jeder Mensch kann gesegnet werden. Jeder Mensch ist ein Kind Gottes. Am Ende einer jeden Messfeier, eines jeden Gottesdienst, wenn alle, die in der Kirche sind, gesegnet werden, bekommt jeder die Zusage Gottes: Du bist ein geliebtes Kind. Das kommt im Segen zu Ausdruck. Da wird man nicht gefragt: Warum bist du hier? Wie bist du hier? Wie fühlst du? Was denkst du? Was lebst du privat? Deshalb können Menschen, egal welcher Orientierung, gesegnet werden. Vielleicht kommt es manchmal falsch an. Deswegen ist mir wichtig, das so zu sagen: Jeder Mensch kann gesegnet werden.
DOMRADIO.DE: Aber ihre Liebe kann nicht gesegnet werden. Als Paar können homosexuelle Menschen nicht gesegnet werden...
Assmann: Und das ist der feine Unterschied, den ich gerne, zumindest wenn ich gefragt werde und darüber mit jemandem ins Gespräch komme, zum Ausdruck bringen möchte. In dieser strittigen Frage, um die auch innerhalb der Kirche gerungen wird, geht es darum, dass die Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen deshalb nicht gesegnet werden kann, weil sie mit der Ehe dann gleichgestellt würde. Der einzelne Mensch kann gesegnet werden, egal wie er denkt und fühlt.
Ich kann auch verstehen, wenn Menschen sagen: Die Kirche soll sich raushalten aus den Schlafzimmern mit ihren moralischen Vorstellungen. Dass Menschen so denken und fühlen, das kann ich durchaus nachvollziehen. Aber wenn ich gefragt werde als Vertreter der Kirche: Worauf stützt sich diese Lehre? Dann müssen wir in die Heilige Schrift schauen, in die Bibel. Was möchte Gott?
In den Schöpfungserzählungen, worauf sich unser Glaube aufbaut, wird deutlich, dass wir Menschen teilhaben dürfen an der Schöpfung Gottes. Dass wir als Mann und Frau geschaffen sind, füreinander, einander Liebe schenken können und Gott sogar in diese Liebesbeziehung die Kraft hinein schenkt, Leben zu zeugen und Leben weiter zu schenken, also teilzuhaben an der Schöpfung Gottes.
Deshalb darf selbstverständlich jeder Mensch gesegnet werden, egal welche sexuelle Orientierung er hat. Aber Segen ist eben zum einen die Zusage von Heil und dass es dir als Mensch gut geht in deinem Leben. Segen wird oft aber auch verstanden im Sinne - und ist ja auch ein wichtiger Bestandteil - einer Zustimmung. Und die Zustimmung zu bestimmten Ausdrucksformen des geschlechtlichen Lebens - so ist die Überzeugung der Kirche - gehört der ehelichen Beziehung, die auf lebenslange Treue, auf Verlässlichkeit ausgelegt ist.
DOMRADIO.DE: Ich gehe davon aus, dass Sie selbst an diesem Gottesdienst heute Abend nicht teilnehmen werden. Aber würden Sie persönlich sich denn wünschen, dass sich in Zukunft etwas ändert, auch in der Einstellung zu gleichgeschlechtlichen Paaren?
Assmann: Ich glaube, wir haben einen großen Auftrag als Kirche - damit meine ich alle und nicht nur die, die ein Amt in der Kirche haben - uns überall dort einzusetzen, wo das Recht des Menschen auf Leben mit Füßen getreten wird oder nicht geachtet wird. Also, sich klar zu positionieren, auch gegen Diskriminierung. Und ich glaube, auch in diesem Thema sind wir noch nicht alle frei von möglichen Diskriminierungen oder Bemerkungen. Es ist wichtig, zu sagen: Jeder Mensch ist frei. Jeder Mensch hat ein Gewissen - von Gott geschenkt - und muss sein Leben vor Gott verantworten, sein Gewissen schulen und seinem Gewissen folgen. Und den Menschen dabei zu helfen, dieses Gewissen auch zu schulen und auch zu hören, was Gott uns mitgegeben hat, das ist mit unser Auftrag.
Ich glaube, da haben wir noch viel zu tun - in unserer Gesellschaft, aber auch innerhalb der Kirche - dafür zu sorgen, dass nicht die Nase gerümpft wird über Menschen, über ihre Lebens- und Liebesbeziehungen, sondern dass wir offen, ehrlich und gut miteinander sprechen.
Insofern würde ich, wenn Menschen mich persönlich als Priester ansprechen, den Einzelnen segnen, aber nicht diese Paarbeziehung. Ich würde aber nicht sagen "Das tue ich nicht" und damit das Gespräch beenden, sondern im Gegenteil: Ich würde versuchen - wenn die Menschen das wünschen und sich darauf einlassen - weiter mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wenn sie möchten, möchte ich auch, dass sie begleitet werden, damit sie das Gefühl erleben, dass sie selbstverständlich willkommen sind, sich engagieren können, im Gottesdienst willkommen sind, mitfeiern können, Verantwortung mit übernehmen können.
DOMRADIO.DE: Ich höre ganz viel Verständnis. Deswegen die Frage: Wie wird das Erzbistum Köln auf diesen Gottesdienst oder auf die Organisatoren reagieren? Was passiert mit den Priestern, mit den Mitarbeitenden, die daran teilnehmen? Bekommen sie eine Abmahnung, einen Verweis? Das wird gerade groß diskutiert.
Guido Assmann: Das bekomme ich natürlich mit, dass das diskutiert wird. Und die Frage wird so oft an mich herangetreten. Ich denke, dazu ist doch jetzt alles gesagt worden. Nehmen wir doch einige wenige, die jetzt eine Segnung vornehmen wollen, nicht zu sehr in den Mittelpunkt.
Es muss doch eigentlich mehr um die Menschen gehen, die zusammenkommen, um Gottesdienst zu feiern. Ich würde lieber auf diese Menschen schauen, die jetzt um einen Segen bitten oder auf Gottes Wort hören wollen, als auf den einzelnen Priester oder Diakon, Pastoral- und Gemeindereferentin oder -referent. Ich finde, da sollten wir als Kirche einen weiteren Blick halten.
Das Interview führte Verena Tröster.