DOMRADIO.DE: Nach vier Jahren sind Sie im Amt bestätigt worden. Das bedeutet Ihnen schon etwas, oder?
Gregor Stiels (Vorsitzender des Katholikenausschusses der Stadt Köln): Ja, auf jeden Fall. Ich finde, das zeigt, wie es in der Kirche auch gehen kann. Alle vier Jahre müssen der Vorsitzende und der Vorstand bestätigt oder neu gewählt werden. Das heißt auch, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Vollversammlung, also die Delegierten aus den Pfarrgemeinden- und Verbänden, darüber abstimmen, ob sie mit der Politik und mit den Inhalten und Themen, die wir die letzten vier Jahre gesetzt haben und wie wir es gemacht haben, zufrieden sind oder nicht.
Wenn da eine Unzufriedenheit herrschen würde, dann würde es auch keine Wiederwahl geben.
DOMRADIO.DE: Am Montag hat der Kölner Katholikenausschuss getagt. Ihre Wiederwahl war nur ein Teil der Agenda. Ein weiterer Tagesordnungspunkt war mit "Vertrauenskrise im Erzbistum" überschrieben. Wie groß ist denn die Krise?
Stiels: Man konnte das bestätigt sehen, was schon hinlänglich bekannt ist. Es gab unlängst eine Forsa-Umfrage und es ist auch geschrieben worden, dass es einen großen Vertrauensbruch gibt. Gestern waren Vertreter aller Pfarrgemeinden und auch der katholischen Verbände anwesend. Da konnten wir das bestätigt sehen, was wir schon vermutet haben und was auch die Forsa-Umfrage gesagt hat.
Das Vertrauen in den Kardinal ist nicht mehr da. Es wird infrage gestellt, ob es einen Neuanfang geben kann. Auch wenn der Wille zur Versöhnung bei allen da ist, stellt sich dennoch die Frage, ob es mit diesem Kardinal einen Neuanfang geben kann.
Man möchte im Gespräch sein. Aber die Zweifel, dass das gelingt, sind aus unterschiedlichsten Gründen sehr groß.
DOMRADIO.DE: Kardinal Woelki möchte zuhören, verstehen, Vertrauen zurückgewinnen. So hat er das in seinem Hirtenbrief formuliert. Spüren Sie denn seinerseits schon irgendetwas in dieser Richtung?
Stiels: Tatsächlich nicht. Die Frage ist jetzt, wer was wie tun und machen muss. Es ist so, dass wir schon offen sind. Wir haben in den letzten vier Jahren dem Kardinal schon öfter ein Gespräch angeboten.
Als ich vor vier Jahren ganz neu im Amt war, nachdem es meine Vorgängerin 20 Jahre lang innehatte, haben wir gesagt, wir wollen uns kennenlernen, uns vorstellen und mal die Themen abgleichen. Er hat jedes Mal ein Gesprächsangebot mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass er sich nicht mit jedem unterhalten könne und dass es eine Regelung gebe, wer für wen zuständig ist. Wir haben da also mehrere Gesprächsabsagen erhalten.
Jetzt sind wir wieder bereit. Das heißt, wenn der Kardinal sich mit uns unterhalten will, versöhnen möchte und ins Gespräch kommen will, stehen wir gerne bereit und warten darauf, ob es ein Gesprächsangebot von seiner Seite aus gibt.
DOMRADIO.DE: Aber mit Ihrer Vorgängerin war er doch schon im Gespräch. Oder ist das falsch in Erinnerung?
Stiels: Ehrlich gesagt gab es da auch nicht besonders viele Gespräche. Im Grunde ist es ja richtig, dass die diözesane Ebene, der Diözesanrat, erstmal für den Kardinal der Ansprechpartner ist.
Dennoch waren wir der Meinung, wenn sich nach so vielen Jahren ein neuer Vorstand formiert, dann ist es doch auch mindestens ein Gebot der Höflichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und einmal zu gucken, wo die Themen und die Grundlagen sind. Aber selbst das war leider nicht möglich.
DOMRADIO.DE: Der Papst, dem Kardinal Woelki seinen Rücktritt angeboten hatte, ist in dieser Personalentscheidung still. Mutmaßlich beobachtet er noch. Aber vor Ostern wird wohl kaum eine Reaktion zu erwarten sein. Wie sehen Sie jetzt die unmittelbare Zukunft?
Stiels: Die Lähmung, die dadurch entsteht, tut dem Bistum nicht gut. Das muss man mal ganz ehrlich sagen. Wir haben seit mehreren Jahren diesen Zustand der Lähmung, muss man schon fast sagen. Wir haben auf das Gutachten gewartet, bis es endlich da war und waren da in einem Zustand einer Lähmung.
Jetzt warten wir auf die Entscheidung des Papstes, wie es mit der Bistumsleitung weitergeht und das ist ein Zustand einer Lähmung. Die wohltuende Phase der Pause, die man mit dem diözesanen Administrator gespürt hat, ist vorbei. Da konnte man erste Aufbrüche und Neuanfänge spüren. Es wäre schön, wenn man daran anknüpfen könnte. Aber die Lähmung und das Abwarten tut uns nicht gut.
Ich glaube, die Frage muss sich stellen: "Was ist jetzt wirklich das Beste für das Bistum?" und nicht "Was ist das Beste für den Kardinal?" Und wenn man sich diese Frage stellt, dann kommen wir um einen Neuanfang nicht herum.
Das Interview führte Tobias Fricke.