Pastoralratsmitglied verteidigt Kardinal Woelki

Symbolfigur für einen Kulturkampf?

Das Erzbistum Köln befindet sich auch nach der Rückkehr von Kardinal Woelki in unruhigen Fahrwassern. Statt auf innerkirchliche Strukturdebatten setzt Stephan Neuhoff mehr auf die großen Fragen des christlichen Glaubens.

Rainer Maria Kardinal Woelki / © Harald Oppitz (KNA)
Rainer Maria Kardinal Woelki / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es wird zurzeit ja heftig um die Zukunft der Kirche gestritten. Konstruktive Auseinandersetzung ist ja auch nicht das Schlechteste. Aber hier geht der Streit auch in Anfeindungen über. Das haben Sie selbst schon erlebt, oder?

Stephan Neuhoff (DR)
Stephan Neuhoff / ( DR )

Stephan Neuhoff (ehemaliger Direktor der Feuerwehr Köln und Mitglied im Diözesanpastoralrat des Erzbistums Köln): Es hat immer Diskussion, Streit in der Kirche gegeben. Aber mit welcher Härte das jetzt geschieht, wie polarisiert das Ganze geschieht, das bestürzt mich schon sehr, muss ich sagen.

Man hat auch manchmal den Eindruck, diese Missbrauchsgeschichte hat auch einen richtigen Damm des Hasses geöffnet - nicht innerhalb der Kirche, das will ich jetzt nicht sagen, von außen. Aber eben auch in der Kirche gibt es jetzt diese Härte der Auseinandersetzung, die ich manchmal nicht nachvollziehen kann.

DOMRADIO.DE: Denn egal welches Kirchenbild wir haben, wichtig ist doch, dass wir zunächst darauf verzichten, uns böse Absichten zu unterstellen und unsachlich anzugreifen. Wie erklären Sie sich denn die Aggressivität in der Diskussion und wie kann es uns da gelingen, zur Sachlichkeit zurückzukehren?

Neuhoff: Was ich mir wünsche ist zum einen, dass jeder mal eine Pause darin macht, sich öffentlich zu äußern. Dass wir nicht jeden Tag in der Zeitung lesen, der hat das gesagt und der hat das gesagt, sondern einfach mal zurücknehmen, schweigen, nachdenken, einen Moment der Pause entstehen lassen.

Dann wäre es sehr, sehr wichtig, über Inhalte zu reden, sich auszutauschen, über den Kern des Glaubens zu sprechen. Wir sind katholische Christen. Was bedeutet das, dass wir Christen sind? Wer ist Jesus Christus für uns? Darüber ins Gespräch zu kommen, das heißt, die Basics mal anzusprechen und sich darüber auszutauschen, daraus müssen sich dann meines Erachtens erst alle Fragen nach Struktur und Wegen in die Zukunft entwickeln.

DOMRADIO.DE: Im Mittelpunkt steht hier in Köln steht Kardinal Woelki. Die Auseinandersetzungen gehen ja weit über ein Pro oder Contra Woelki hinaus. Ist der Kardinal da auch zu einer Symbolfigur für eine Art Kulturkampf um die Zukunft der Kirche geworden?

Neuhoff: Wenn ich an den Synodalen Weg denke, dann ist das sicher so. Aber manchmal denke ich, kommen die Angriffe gegen ihn aus verschiedenen Richtungen; als ob jeder seinen persönlichen Unmut über das, was in der Kirche passiert, auf den Kardinal abladen würde.

Stephan Neuhoff

"Ich habe den Kardinal im Diözesanpastoralrat erlebt, wie er wirklich das Gespräch gesucht hat."

Ich habe den Kardinal im Diözesanpastoralrat erlebt, wie er wirklich das Gespräch gesucht hat. Er hat auch bei diesen Grundsatzthemen die Möglichkeit eröffnet, sich offen darüber auszutauschen. Was ist die Kirche? Was haben wir für ein Bild von Leitung? Er ist sehr bemüht, dass doch wieder das Gespräch stattfindet und dass sich diese Polarisierung im Gespräch auflöst.

DOMRADIO.DE: Kardinal Woelki hat ja auch in seinem Fastenhirtenbrief an alle Gläubigen geschrieben und ihnen dieses offene Gespräch angeboten. Wie haben Sie diesen Hirtenbrief gelesen?

Neuhoff: Ich habe ihn gelesen und habe mich sehr gefreut. Er hat sehr demütig, sehr klein den Wiedereinstieg gesucht und er hat ihn darin gesucht, miteinander zu reden. Ich bin sehr dankbar für diesen Hirtenbrief, so wie er von ihm verfasst wurde und geschrieben steht.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie die Offenheit auch bei den Gläubigen im Erzbistum Köln?

Neuhoff: Bei einigen ja, bei anderen weiß ich es nicht. Ich habe auch die Demonstrationen am Aschermittwoch vor der Kirche erlebt. Ich weiß nicht, inwieweit andere auch offen sind.

DOMRADIO.DE: Viele können sich eine Zukunft mit Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln nicht vorstellen. Da hat es ja auch diese Umfragen gegeben, die das jetzt untermauert haben. Wie sehen Sie das? Kann es denn eine Zukunft mit Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln geben, wenn man auf solche Umfragen schaut?

Stephan Neuhoff

"Ich denke, dass viele Gläubige auch durch die Medien massiv verunsichert sind. Sie wissen nicht mehr, was sie denken sollen, was sie von der ganzen Situation halten sollen."

Neuhoff: Ich denke, dass viele Gläubige auch durch die Medien massiv verunsichert sind. Sie wissen nicht mehr, was sie denken sollen, was sie von der ganzen Situation halten sollen. Da wäre es gut, wenn Kardinal Woelki rausgeht, den Kontakt draußen mit den Menschen in den Pfarrgemeinden sucht.

Mehr als einer hat mir gesagt: Mensch, der ist ja gar nicht so. Ich habe mit ihm gesprochen. Von daher glaube ich, dass es eine große Hilfe wäre, wenn er wirklich rausgeht, den Kontakt zu draußen sucht und da ins Gespräch kommt.

DOMRADIO.DE: Nun wissen wir auch nicht, wie der Papst entscheiden wird, ob er das Rücktrittsangebot von Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln annimmt. Die Hängepartie geht also noch ein bisschen weiter. Wäre da eine schnelle Entscheidung nicht wünschenswert?

Neuhoff: Eine schnelle Entscheidung heißt bei einer Beendigung der Zeit von Kardinal Woelki ja auch erst einmal Sedisvakanz, Führungslosigkeit über ein Jahr oder zwei Jahre. Wer kommt dann? Dann geht der Streit um den nächsten los. Von daher finde ich den Weg richtig, dass Kardinal Woelki zurückkehrt und das Gespräch sucht, die Versöhnung hier in seiner Diözese zu bewirken.

DOMRADIO.DE: Nun haben wir alle eine Vorstellung von unserer katholischen Kirche und bisher hat ja auch das Nebeneinander von unterschiedlichen spirituellen Praktiken in der Kirche auch immer ganz gut funktioniert. Kann es nicht auch bei dieser Vielfalt bleiben?

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln zählt zu den bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Mit rund 1,9 Millionen Katholiken hat es die meisten Mitglieder, gefolgt von Münster, Freiburg und Rottenburg-Stuttgart (je rund 1,8 Millionen). Das Vermögen liegt bei rund 3,8 Milliarden Euro. Damit liegt Köln auf Platz drei hinter Paderborn (7,15 Milliarden Euro) und München-Freising (6,1 Milliarden Euro).

Blick auf den Kölner Dom / © saiko3p (shutterstock)

Neuhoff: Es muss sogar bei dieser Vielfalt bleiben, es hat diese Vielfalt immer gegeben. Es ist natürlich eine ganz andere Drucksituation entstanden. Durch den Missbrauch haben sich ja zwei Dämme geöffnet. Der Damm des Hasses von außen, wenn man manchmal Radiosendungen hört, wie sich da Radiohörer zur Kirche äußern, aber auch einen Damm des Austritts.

Die Spiegel-Umfrage hat ja ergeben, dass ein Viertel der Katholiken in Deutschland nicht mehr an Gott glaubt. Jeder Dritte glaubt nicht mehr an die Auferstehung von Jesus Christus. Jeder Zweite hat Zweifel, was das ewige Leben anbetrifft. Das heißt im Grunde genommen, was die Glaubensinhalte anbetrifft, ist fast die Hälfte der deutschen Katholiken auf dem Sprung.

Und das ist wie ein Damm, der sich jetzt geöffnet hat, wo die Menschen die Kirche verlassen. Das erzeugt natürlich einen ungeheuren Druck. Das heißt, so wie die Kirche jetzt ist mit dieser Größe, mit diesem Geld, mit dieser Zahl von Mitgliedern, wird es mit Sicherheit nicht bleiben.

DOMRADIO.DE: Wir leben also in Umbruchzeiten. Wohin kann oder darf oder soll oder mag sich die katholische Kirche denn entwickeln? Wie könnte die Kirche in 50 Jahren aussehen?

Neuhoff: Der gleiche synodale Prozess, wie er jetzt stattgefunden hat, hat 1970 in den Niederlanden stattgefunden. Es waren die gleichen Forderungen: Frauen sollen Priester werden, Priester sollen heiraten dürfen, Ehescheidung sollte möglich werden. Ich weiß nicht, was alles. Und die Zahl der Katholiken in den Niederlanden hat sich in 50 Jahren halbiert.

Ich fürchte, das wird auch in Deutschland geschehen. Es wird schneller geschehen und wir müssen einfach da hingucken, dass wir nicht mehr so viele Mitglieder haben werden, nicht mehr so viel Geld haben werden. Die Kirche wird ärmer, schwächer, demütiger werden.

Aber das macht sie vielleicht gerade für Menschen, die außerhalb sind - sozusagen für die "Loser" in dieser Gesellschaft - , die sich fragen, was der Sinn ihres Lebens ist, die Antworten suchen, die hören wollen, dass Gott sie so liebt, wie sie sind. Das macht die Kirche vielleicht besser für diese Menschen zugänglich.

DOMRADIO.DE: Fehlt uns da manchmal auch der Raum oder die Zeit, für das Gespräch wieder über das Grundsätzliche nachzudenken und zu reden: Was bedeutet Jesus für mich? Wer ist Jesus für mich? Was bedeutet Dreifaltigkeit? Wer ist Gott als Gott Vater? All diese wirklich Grundfesten unseres Glaubens?

Stephan Neuhoff

"Ich würde mir sehr wünschen, wenn dieses Gespräch, diese Auseinandersetzung mit dem Glauben, diese Verkündigung des Glaubens wieder stattfinden würde in der Kirche und den Vereinen."

Neuhoff: Also ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung sagen: Ich bin mit fünf Jahren zur Erstkommunion gegangen und mit neun Jahren gefirmt worden, hatte Religionsunterricht in den 68er Jahren bei einem armen alten Pfarrer, wo wir gesagt haben, was wir hören wollen und bin im Grunde genommen im Kommunionsanzug groß geworden, Vater geworden, Chef von über 1.000 Leuten geworden.

Es fehlt ein Ort, wo ich als Erwachsener über den Glauben höre, noch mal bewusst nachvollziehen kann, was die Kirche sagt, ob ich das glauben will. Kann ich alles glauben? Warum? Was hat der Glaube in meinem Leben zu tun? Also Orte, wo sich das Leben und der Glaube berühren, dass es nicht so ist wie zwei Schienen, die sich nie berühren. Das eine ist das Leben, das andere ist der Glauben.

Ich würde mir sehr wünschen, wenn dieses Gespräch, diese Auseinandersetzung mit dem Glauben, diese Verkündigung des Glaubens wieder stattfinden würde in der Kirche und den Vereinen.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR
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