Kolumba-Leiter Kraus lobt Ukrainetag im Museum

"Das ist ein Geschenk"

Im erzbischöflichen Kunstmuseum Kolumba in Köln wird am 23. August ein Kulturtag veranstaltet, anlässlich des ukrainischen Nationalfeiertags. Das Motto der zwölfstündigen Veranstaltung lautet: "Immer wieder Aufbruch!"

Alles wird Ukraine sein, ein Mural in der ukrainischen Stadt Winnyzja mit einem auf die Wiederherstellung ukrainischer Gebiete zielenden Ausspruch.jpg / © Maksym Mykhailov (shutterstock)
Alles wird Ukraine sein, ein Mural in der ukrainischen Stadt Winnyzja mit einem auf die Wiederherstellung ukrainischer Gebiete zielenden Ausspruch.jpg / © Maksym Mykhailov ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie sagen Kolumba versteht sich als Gefäß. Warum ist dieses Gefäß besonders gut geeignet, um am 23. August dieses Jahres Gastgeber zu sein für einen Ukrainetag, wo Sie sich der ukrainischen Kultur zuwenden werden?

Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti (DR)
Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti ( DR )

Dr. Stefan Kraus (Leiter des Museums Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln): Was man bei Kolumba hoffentlich immer wieder sieht, ist dass Kolumba Ort einer gigantischen Zerstörung war. Die Zerstörung, die in dem Fall rückgewirkt hat auf den Aggressor. Das ist natürlich unterschiedlich zu dem, was die Ukraine erleidet, dass der Aggressor Kultur zerstört. Aber aus diesem Fakt heraus, haben wir versucht, eine Verantwortung wahrzunehmen, bewusst zu halten, was da passiert und wie viele Jahrzehnte es braucht – wenn es überhaupt möglich ist – in so zerstörten Gesellschaften wieder eine gemeinsame Tragfähigkeit zu entwickeln und den Ort zu heilen.

Vielleicht am ehesten sogar dadurch, dass man bewusst hält, wie groß der Grad der Zerstörung war. Als die Anfrage kam vom Blau-Gelben Kreuz, ob wir uns vorstellen könnten, eine solche Kooperation zu machen, war es nicht der ideale Zeitpunkt, der ukrainische Nationalfeiertag liegt genau zwischen Ab- und Aufbau unserer Jahresausstellung. Aber das ist ein Geschenk, das wir wahrgenommen haben.

Dr. Stefan Kraus

"Dort auf ukrainische Kultur hinzuweisen, auf den Stellenwert, den sie hat, damit diese Gesellschaft wieder geheilt werden kann oder überhaupt erstmal überlebt."

Wir haben gesagt, wunderbar, lasst uns gucken, dass wir das in einer komprimierten Kooperation an drei Tagen mit Aufbau, Durchführung der Veranstaltung für zwölf Stunden und Abbau tatsächlich hinbekommen an diesem Ort, wo die Zerstörung, die Kulturzerstörung so sichtbar ist. Dort auf ukrainische Kultur hinzuweisen, auf den Stellenwert, den sie hat, damit diese Gesellschaft wieder geheilt werden kann oder überhaupt erstmal überlebt.

DOMRADIO.DE: Sie sind selber Kunsthistoriker. Wir erleben gerade in der Ukraine seit fast anderthalb Jahren einen Angriffskrieg auf ein Land, aber auch auf die Kultur des Landes. Was macht das mit Ihnen, wenn man das erlebt, wie bewusst gegen Kultur- und Menschengeschichte vorgegangen wird?

Kraus: Das war sehr schnell absehbar, dass sich die Aggression eben nicht nur auf militärische Ziele richtet, sondern auf die Zivilgesellschaft und an die sensiblen Punkte der nationalen Identität. Das ist natürlich im Verhältnis Russlands zur Ukraine ein ganz besonderes Thema, das nicht erst durch den Krieg sichtbar geworden ist. Das hat eine lange Tradition.

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Rosner (Erzbistum Köln)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Rosner ( Erzbistum Köln )

Aber ich glaube, dass gerade aus dem Verhältnis heraus für uns die Verantwortung besonders sichtbar geworden ist, zu sagen, wir müssen diesen Ort zur Verfügung stellen, um hier erleben zu dürfen, wie sich ukrainische Identität eigentlich versteht. Das heißt, Kolumba ist tatsächlich ein Gefäß und wir überlassen es für diesen einen Tag kuratorisch anderen, uns damit zu begeistern, was die ukrainische Identität im Kulturellen ausmacht.

Eines weiß ich gewiss zu sagen, dass, immer wenn diese militärischen Konflikte vorüber sind – das war auch in Deutschland nach 1945 nicht anders, nur mit dem Unterschied, dass wir der Aggressor waren, der am Ende die totale Zerstörung erleben musste – dass aus diesem Zerstörungswillen heraus nur die Kultur heraushelfen kann.

Dr. Stefan Kraus

"Am Ende ist es nicht die Wirtschaft, am Ende ist es die Kultur, die die Wunden vielleicht dadurch gerade heilen kann, dass sie sie bewusst macht, dass sie sie offenhält."

Am Ende ist es nicht die Wirtschaft, am Ende ist es die Kultur, die die Wunden vielleicht dadurch gerade heilen kann, dass sie sie bewusst macht, dass sie sie offenhält. So verstehen wir uns bis heute. Das ist Teil dessen gewesen,warum wir diese Kolumba-Ruine mit jedem Stein verteidigt haben, der Anfang der 1990er Jahre noch erhalten war, um die Erinnerung wach zu halten.

Was heißt das eigentlich, wenn eben die Kultur von einem Land angegriffen wird, wenn sie zerstört wird? Wie kommt man da wieder raus? Deshalb verspreche ich mir selbst von diesem Tag eine ganze Menge. Denn ich glaube, dass man eine Menge darüber lernen kann, wie ein Land, das akut angegriffen wird, Zerstörung erlebt, mit seiner eigenen Kultur verfahrend, damit umgehen kann, am Leben zu bleiben.

DOMRADIO.DE: Sie stellen das Haus für zwölf Stunden ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern zur Verfügung. Der Eintritt ist frei. Was können Besuchende an diesem Tag, in diesen zwölf Stunden, erleben?

Kraus: Alles Mögliche, weil die Bandbreite der Formate groß ist. Es gibt ganz kleine Dinge. Es gibt natürlich Kunst zu erleben, in allen Medien, vom Film bis hin zur kurzen Performance. Es gibt Kunst in der großen Bandbreite. Es gibt auch Diskussionsforen. Ich werde mich mit Professor Müller unterhalten. Das ist ein Mainzer Kunstgeschichtsprofessor, der sehr früh begonnen hat, die deutsche Hilfe zu koordinieren, wie man Kulturgut retten kann.

Dr. Stefan Kraus

"Das ist ein zerstörter Kulturort gewesen, wo wir die Krümel am Ende zusammengesucht haben, um sie bis heute bereit zu halten und bewusst zu machen, wie wichtig das Überleben einer Kultur ist".

Ich meine auch, das ist ein Thema, wo wir eine Menge beitragen können mit Kolumba, denn das ist ein zerstörter Kulturort gewesen, wo wir die Krümel am Ende zusammengesucht haben, um sie bis heute bereit zu halten und bewusst zu machen, wie wichtig das Überleben einer Kultur ist, dass man Kunst sichert, Kunst schützt und sonst was macht.

Wir werden auch informieren, aber ich glaube, es ist vor allen Dingen ein Erlebnistag, zwölf Stunden mit einer großen Bandbreite. Ich könnte mir vorstellen, dass man durch den freien Eintritt kommt, dass man teilnimmt, vielleicht wieder geht und sich überlegt, das war so spannend, ich gehe um 22 Uhr abends noch mal hin und gucke was dann passiert. Wir wollen natürlich auch ins Gespräch kommen mit den ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern und Kolumba als Gesprächsforum zur Verfügung stellen.

Das Interview führte Alexander Foxius.

Kunstmuseum Kolumba

Kolumba ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das 1853 als Diözesanmuseum Köln gegründet wurde. Zweitausend Jahre abendländischer Kultur sind in einem Haus zu erleben. In der Kunst mit Werken der Spätantike bis zur Gegenwart.

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR