Die Chefverhandler des ersten weltweit beachteten Friedensabkommens mit der FARC-Guerilla aus dem Jahr 2016 warnen. Die Umsetzung des Friedensabkommens mit einer verfassungsgebenden Versammlung zu verknüpfen sei absurd, warnt Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos. Dessen ehemaliger Unterhändler Humberto de la Calle spricht von einem "schweren Fehler".
Seit ein paar Wochen ist das politische Projekt im Raum, doch das Thema ist vorbelastet. Viele Kolumbianer fürchten, Kolumbien könnte sich dann in ein zweites Venezuela verwandeln, wie es Revolutionsführer Hugo Chaves zu Lebzeiten mit einer Verfassungsänderung vormachte.
Der Unterschied: Chaves war in der ersten Phase seiner Präsidentschaft deutlich populärer als es Petro heute ist. Und der Kolumbianer selbst hatte in vorangegangenen Wahlkämpfen stets erklärt, ihn interessiere eine Wiederwahl nicht. Auch verfassungsgebende Versammlungen hatte er früher einmal ausgeschlossen.
Petro will aber genau das: Eine verfassungsgebende Versammlung. Eine Wiederwahl interessiere ihn nicht, sagt Petro immer wieder. Ausschließen will er sie verbal aber auch nicht.
FARC verübt weiterhin Anschläge
Nun aber sagt das Regierungslager um das linke Bündnis "Pacto Historico" aber genau das Gegenteil: Man ließe Petro gar nicht regieren, deswegen sei eine weitere Amtszeit notwendig. Petro selbst hatte vor Wochen erklärt, der Kongress vertrete die Interessen des Volkes nicht. Kolumbien benötige deshalb eine andere Volksvertretung.
Mit Petros Vorstoß ist der ohnehin hoch komplizierte Friedensprozess politisch aufgeladen. Ohnehin ist die Bilanz des Projektes "Paz total" durchwachsen. Die linksextremen FARC-Dissidenten, eine abtrünnige Splittergruppe der ehemaligen FARC-Guerilla, sorgen immer wieder für brutale Anschläge. Die Verhandlungen liegen auf Eis. Petro schickt wie seine rechten Vorgänger nun das Militär.
Kirche schickt dramatischen Appell an alle Beteiligten
"Wir sind erschüttert über die tiefgreifend bedrohliche Situation, die das Departement Cauca erlebt", hieß es in dieser Woche in einer Stellungnahme der südkolumbianischen Erzdiözese Popayan. Es würden Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verletzt, so die Kirchenvertreter. Leidtragende seien die Gemeinden im Südwesten des Landes.
Die Kämpfe zwischen der Armee und den Guerilleros rund um die Gemeinde Suarez in der besonders umkämpften Unruheprovinz Departement Cauca hätten Hunderte von Einwohnern in einem Dorf eingeschlossen. Rund 350 Personen hätten aus Angst zwischen die Fronten zu geraten Zuflucht gesucht. Das ist die aktuelle Realität.
Das jüngste Attentat auf die Polizeistation in Morales in Cauca hätte die katholische Kirche veranlasst, nun die Stimme zu erheben. Bei dem brutalen Überfall der Guerilla kamen zwei Polizisten und zwei Zivilisten ums Leben. Und sie seien nur ein Teil einer Serie von Gewalttaten, die die Region derzeit erlebe.
"Der Konflikt verursacht eine Spaltung, beschädigt das soziale Gefüge und fordert Opfer", schreibt die Kirche weiter und schließt ihren Aufruf mit einem Appell an alle Beteiligten: Die am Konflikt beteiligten Gruppen müssten ihre gewalttätigen Aktionen sofort einstellen und das Leben der Menschen respektieren.
Eckpapier als Hoffnungsschimmer
Gleichzeitig bekräftigte die Kirche, dass sie ihre Rolle im Friedensprozess weiter wahrnehmen wolle: Sie stehe zur Verfügung um "mit einer begleitenden Präsenz, um Brücken zum Dialog zu bauen und Wege der Hoffnung zu suchen, die zu einem konstruktiven Wandel führen".
Immerhin gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer: Regierung und ELN-Guerilla einigten sich bei ihren Gesprächen auf ein Eckpapier, dass weitere Friedensverhandlungen ermöglichen soll. Die marxistische Rebellengruppe ist die zweite Guerillagruppe, mit der die Petro-Administration Verhandlungen aufnahm.
Ob sich alle Seiten daran halten, wird die Zukunft zeigen und entscheidend für die Akzeptanz des Friedensprozesses sein. Die Kirche wird die Umsetzung interessiert beobachten.