In Kolumbien gehen Tausende für eine Einigung auf die Straße

Geburtsstunde einer Friedensbewegung

In Kolumbien demonstrieren Tausende Studenten für den Frieden. Die Atmosphäre erinnert an die Geburt der Friedensbewegung in Europa. Derweil sucht die Politik nach dem Nein zum Friedensvertrag weiter nach einer Lösung.

Autor/in:
Tobias Käufer
Hunderte demonstrieren für den Frieden in Kolumbien / © Mauricio Duenas Castaneda (dpa)
Hunderte demonstrieren für den Frieden in Kolumbien / © Mauricio Duenas Castaneda ( dpa )

Für den Ausgangspunkt ihrer Demonstration wählten die Studenten einen aussagekräftigen Platz: Das Planetarium in Bogota liegt nicht nur mitten in der kolumbianischen Hauptstadt, einen Steinwurf entfernt von der wichtigen Verkehrsachse "Carrera 7". Es bietet Besuchern auch die Gelegenheit, einen Blick in die Sterne zu werfen. Und der verleitet zum Träumen.

Spät, aber vielleicht nicht zu spät, ist auf Kolumbiens Straßen etwas in Bewegung geraten, um den Traum vom Frieden zu retten. Juan Camilo Caicedo, Mitglied der Studentenbewegung "Paz a la Calle" und einer der Organisatoren des Friedensmarsches zur Plaza Bolivar am Mittwochabend (Ortszeit) kritisiert die fehlende Präsenz der jungen Kolumbianer bei der Volksabstimmung am Sonntag. Nun mobilisiert er seine Kommilitonen. Auf riesigen kolumbianischen Fahnen ist das Wort "Paz" ("Frieden") zu lesen. "Schweigend für den Frieden" heißt auch das Motto der Demo: "Für alles, was uns vereint, und gegen alles, was uns trennt", haben die Studenten auf ein Banner geschrieben.

Kolumbiens Jugend will Versöhnung

Während sich in Internetforen enttäuschte Befürworter und jubelnde Gegner des Friedensvertrags gegenseitig beleidigen, versucht Kolumbiens Jugend, die Gesellschaft zu versöhnen. Das Land dürfe nicht polarisiert bleiben, zitiert das Nachrichtenmagazin Semana Juan Jose Burgos von der katholischen Elite-Uni Javeriana. "Wir müssen wie Landsleute denken und das hinter uns lassen", fordert Burgos, der die Initiative "Javerianos por la Paz" mit ins Leben gerufen hat. "Was wir wollen, ist eine Versöhnung zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager."

Ganz in Weiß und mit Kerzen zogen die überwiegend jungen Demonstranten zur Plaza Bolivar. Die Atmosphäre erinnerte an die Gründungsphase der Friedensbewegung in Europa. Auch damals waren es Studenten und kirchliche Gruppen, die gegen die Aufrüstung und den Nato-Doppelbeschluss auf die Straße gingen. Nun ist es das "Nein" bei der Volksabstimmung gegen das über vier Jahre ausgehandelte Friedensabkommen mit der Guerilla-Organisation FARC, das die jungen Menschen nach draußen treibt.

Der Friedensvertrag soll überarbeitet werden

Unterdessen sucht die Politik einen Ausweg aus der Krise. Am Mittwoch traf sich der angeschlagene Staatspräsident Juan Manuel Santos mit seinen beiden Vorgängern und Widersachern Andres Pastrana (1998-2002) und Alvaro Uribe (2002-2010). Es war das erste direkte Treffen der ehemaligen Mitstreiter und Verbündeten Santos und Uribe seit mehr als fünf Jahren. Die Köpfe des "Ja" und des "Nein" für den Friedensvertrag berieten hinter verschlossenen Türen mehrere Stunden, ehe Uribe vor die Presse trat und erklärte, Santos habe Bereitschaft signalisiert, über Korrekturen im Friedensvertrag zu verhandeln.

Im Gepäck hatte Uribe auch eine versteckte Botschaft an die katholische Kirche und Papst Franziskus. Der hatte sich zuvor indirekt gegen das Nein-Lager gestellt. Santos habe alles für den Frieden riskiert, sagte das Kirchenoberhaupt im Vorfeld der Volksabstimmung. Er sehe aber auch einen anderen Teil, der alles riskiere, um den Krieg fortzusetzen. Gemeint war Uribe, der Wortführer der Gegner des Abkommens.

Zum Krisengipfel erschien dieser nun in Begleitung des in Kolumbien populären evangelikalen Priesters Cesar Castellanos und verankerte in seinem Forderungskatalog auch eine gesellschaftspolitische Position, die mit dem Friedensvertrag wenig zu tun hat: Es gelte, die Werte der klassischen Familie zu verteidigen, so Uribe.


Quelle:
KNA