Kommission legt Zahlen zu sexueller Gewalt im Bistum Erfurt vor

Wohl nur ein Bruchteil der Taten

Die Aufarbeitungskommission im Bistum Erfurt hat nach drei Jahren eine Zwischenbilanz zu sexuellem Missbrauch vorgelegt. 78 Betroffene haben sich inzwischen gemeldet, 338.500 Euro Anerkennungsleistungen wurden gezahlt.

Domplatz mit dem Erthal-Obelisken, dem Erfurter Dom und Sankt Severi-Kirche.  / © Dominik Wolf (KNA)
Domplatz mit dem Erthal-Obelisken, dem Erfurter Dom und Sankt Severi-Kirche. / © Dominik Wolf ( (Link ist extern)KNA )

Im Bistum Erfurt sind bislang 64 Menschen bekannt, die des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen beschuldigt werden, 25 davon sind Geistliche.

Das gab die Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt am Dienstag in Erfurt im Rahmen einer Zwischenbilanz bekannt. Demnach haben sich inzwischen 78 Betroffene gemeldet, insgesamt wurden 338.500 Euro Anerkennungsleistungen gezahlt. Bei einem Großteil der Fälle, für die alle relevanten Akten seit 1945 durchsucht wurden, sind die Täter bereits verstorben.

Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht (KNA)

Die Kommissionsvorsitzende Ulrike Brune erklärte: "Den weitaus größten Anteil - wir gehen hier von 25 Fällen aus - haben sexuelle Übergriffe, und in sieben Fällen berichteten Betroffene, sie seien vergewaltigt worden." Fälle sogenannter Grenzverletzungen bewegten sich im niedrigen einstelligen Bereich.

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Bislang 64 des Missbrauchs Beschuldigte im Bistum Erfurt

Brune bilanzierte: "Wir müssen leider annehmen, dass die uns vorliegenden Akten nur einen Bruchteil der tatsächlichen Vorkommnisse widerspiegeln." Das Bistum habe der Kommission alle gewünschten Akten und Informationen zugänglich gemacht. Dabei habe sich aber gezeigt, dass es keine systematische Aktenführung gab und nicht gesagt werden könne, wie vollständig die Taten erfasst wurden.

Kommission gründete sich 2021

Die Aufarbeitungskommission hatte sich im Bistum Erfurt im Oktober 2021 konstituiert. Ihr gehören sieben Mitglieder an, zwei davon sind Betroffene. Aufgabe der Kommission ist es, unabhängig zu untersuchen, wie viele Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch kirchliche Mitarbeiter es im Bistum gab, wie die Verantwortlichen mit den Betroffenen und den Beschuldigten umgegangen sind und ob es Strukturen gibt, die sexualisierte Gewalt ermöglichen oder ihre Aufdeckung erschweren.

Einmal jährlich legt die Kommission dem Erfurter Bischof einen Bericht vor, den auch die Landes- und Bundesbeauftragten für Kinderschutz erhalten. Nach fünf Jahren, also bis Ende 2026, soll die Kommission einen Abschlussbericht erstellen.

Mit der Kommission kommt das Bistum Erfurt einer Vereinbarung nach, die die deutschen Bischöfe im Juni 2020 mit dem Bundesbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs getroffen hatten.

Bistum Erfurt

Das katholische Bistum Erfurt erstreckt sich über den größten Teil Thüringens. Ihm gehören rund 130.000 Katholiken in 33 Pfarreien an, das sind gut sechs Prozent der Bevölkerung. Stark katholisch geprägt ist nur das Eichsfeld im Nordwesten des Freistaats.

Ein erstes Bistum Erfurt gründete der Heilige Bonifatius im Jahre 742. Es bestand nur wenige Jahre, danach kam das Gebiet für rund 1.000 Jahre zum Erzbistum Mainz. 

Der Erfurter Domplatz am Mariendom und der Severikirche / © Martin Schutt (dpa)
Der Erfurter Domplatz am Mariendom und der Severikirche / © Martin Schutt ( (Link ist extern)dpa )