DOMRADIO.DE: Was ist an diesem Dienstag im Amtsgericht Kerpen passiert?
Harald Biskup (Langjähriger Prozessbeobachter für den Kölner Stadtanzeiger): Eigentlich das, was die meisten erwartet hatten. Nämlich zunächst mal, dass Weihbischof Bündgens, der Angeklagte, nicht erschienen ist. Damit war gerechnet worden. Er hat schon zwei Prozesstermine nicht eingehalten, ist nicht erschienen. Heute auch wieder nicht. Von seinen Anwälten ist nur einer von zweien erschienen, Christoph Püschel, ein ausgewiesener Wirtschafts-Strafrechtler. Auch das ließ schon am Anfang darauf schließen, dass der Weihbischof selbst nicht kommen würde.
Er hat dann ein Attest überreicht, dass bestätigen soll, dass sein Mandant wie auch bei den zwei vorausgegangenen Terminen verhandlungsunfähig sei. Dann hat sich das Schöffengericht zu einer kurzen Beratung zurückgezogen. Da hat es sicher auch im Vorfeld, das merkte man, Absprachen sowohl mit der Verteidigung als auch vor allem mit der Staatsanwaltschaft gegeben, wie man dann jetzt weiter verfahren würde in diesem komplizierten Verfahren. Man hat sich dann schließlich auf neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, eine relativ lange Bewährungsfrist von zwei Jahren und diese 5.000 Euro Geldbuße, die der Bischof an den Kinderschutzbund überweisen muss, geeinigt.
Das gibt es nur beim Amtsgericht, dieses etwas vereinfachte und auch verkürzende Verfahren auf dem Weg des Strafbefehls. Das benutzt man zur Bewältigung leichterer Kriminalität. Darunter fällt das ja sicherlich. Das muss von der Staatsanwaltschaft bei Gericht beantragt werden. Das ist auch so passiert. Vielleicht noch der Hinweis: Dabei genügt ein hinreichender Tatverdacht. Der muss nach Überzeugung des Gerichts bestanden haben. Das war auch heute so. Also das bedeutet nicht, dass das Gericht von seiner Schuld im vollen Umfang überzeugt war.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie gesagt, Weihbischof Bündgens war heute nicht dabei. Hat er sich denn überhaupt mal öffentlich zu dem Fall geäußert?
Biskup: Nein, hat er nicht. Ich würde sagen, hat er wohlweislich nicht. Er ist absolut von der Bildfläche verschwunden, ist abgetaucht. Niemand weiß so ganz genau, wo er ist. Es ist ja auch klar, dass man nicht weiß, welche Krankheit ihn da beschwert, die im Attest beschrieben wird. Das ist natürlich privat. Nein, er hat sich dazu bislang nie geäußert.
DOMRADIO.DE: Weihbischof Bündgens hatte ja angegeben, das Geld der reichen, verwitweten Frau angenommen und ihr dafür lebenslanges Wohnrecht in dem Haus zugesichert zu haben, das er sich gekauft hat. Die beiden kannten sich seit vielen Jahren. Ist nicht doch denkbar, dass sie dem Ganzen zugestimmt hat?
Biskup: Da habe ich auch oft drüber nachgedacht, seit ich mich recht intensiv mit diesem doch sehr ungewöhnlichen Fall beschäftige. Jein. Aber im letzten eben dann doch nicht. Denn wäre es so gewesen, dann müsste es – das sehen nun mal die Regelungen vor – eine entsprechende Eintragung im Grundbuch geben. Aber die gibt es nicht. Also davon ist nicht auszugehen.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist erst einmal ein Urteil in dem Prozess um Veruntreuung gefallen. Also neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 5.000 Euro Geldbuße. Ist das ein mildes Urteil oder ist das eher streng ausgefallen für diesen Fall?
Biskup: Das liegt so im unteren Bereich. Mir ist aufgefallen, dass man von einer zweijährigen Bewährungsfrist ausgeht. Das ist ungewöhnlich. Der Strafrahmen sieht theoretisch, aber wirklich nur sehr theoretisch sogar auch längere Haftstrafen ohne Bewährung vor, dann bis zu fünf Jahren. Damit war aber hier nicht zu rechnen. Dass das Schöffengericht sich überhaupt zu diesem Urteil – denn ein Strafbefehl ist natürlich ein Urteil und damit ist Herr Bündgens auch vorbestraft – durchgerungen hat, zeigt schon, dass man das jetzt nicht als Kavaliersdelikt durchgehen lassen will oder wollte.
DOMRADIO.DE: Ist der Fall denn damit abgeschlossen?
Biskup: Nein, keineswegs. Denn die Verteidigung, das habe ich eben noch nicht erwähnt, hat natürlich auch darauf hingewiesen, dass es andere Möglichkeiten gegeben hätte, das Verfahren ohne Urteil zu beenden. Gleichwohl hat die Verteidigung jetzt angekündigt, dass man in den nächsten 14 Tagen Einspruch dagegen einlegen werde. Rechtsanwalt Püschel sagte uns Journalisten draußen auf dem Flur: Gehen Sie davon aus, dass mein Mandant unschuldig ist.
Das hat nun aber zur Folge und das hat Richter Peter Königsfeld auch sehr deutlich gesagt: Wenn die Verteidigung und Herr Bündgens davon Gebrauch machen und das werden sie tun, dann sähe er sich dazu gezwungen, einen medizinischen Gutachter zu beauftragen. Das heißt, dieses einfache Attest würde dann nicht mehr reichen. Das würde dann weitergespielt oder weitergedacht bedeuten: Falls dieser Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, dass er dann irgendwann doch verhandlungsfähig sei, dann müsste er natürlich vor Gericht erscheinen.
DOMRADIO.DE: Welche Folgen hinterlässt dieser Prozess denn im Bistum Aachen? Was sagt Bischof Dieser dazu?
Biskup: Das ist noch nicht abzuschätzen. Womit aber zu rechnen ist, weil eben ein Strafbefehl auch ein Urteil ist – und ich sagte eben schon, dass der Angeklagte damit auch vorbestraft ist: Das geht dann natürlich sogar noch über die Bistumsgrenzen hinaus. Das ist noch nicht ganz sicher, aber ich gehe davon aus, dass der Vatikan sich auch in das Thema einschaltet. Wenn ein hoher Geistlicher so eine weltliche Strafe bekommen hat, folgt auch noch ein kirchenrechtliches Urteil auf dem Fuße.
Zur Lage im Bistum kann man vielleicht noch kurz sagen, das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Weihbischof Bündgens und Diözesanbischof Dieser ist sicher nachhaltig zerstört und ich würde auch denken, es ist irreparabel. Bischof Dieser war, was man nachvollziehen kann, "not amused" über das Verhalten von Bündgens. Ich meine jetzt natürlich nicht die strafrechtlichen Vorwürfe, sondern dass er seinen Bischof und die ganze Bistumsleitung bis zum Schluss im Dunkeln gelassen hat. Erst als es gar keine andere Chance mehr gab, als schon lange gegen ihn ermittelt wurde und er wusste, dass ein Strafverfahren auf ihn zukommt, hat er sich sozusagen offenbart oder ich hätte fast gesagt, gebeichtet.
Das Interview führte Heike Sicconi.