Die bislang größten Waldbrände in Kalifornien, der trockene Sommer in Europa, Herbstunwetter in Italien. Der Hintergrund, vor dem sich Klimawissenschaftler am Donnerstag im Vatikan trafen, ist kein guter. Akribisch listet Fausto Guzzetti Zahlen und Diagramme auf, mit denen er sowohl die jüngsten Überschwemmungen und Erdrutsche in Italien analysiert wie auch die künftig zu erwartenden. In den vergangenen 20 Jahren seien 90 Prozent aller Naturkatastrophen im erdbebengefährdeten Italien klimabedingt gewesen, sagt Guzzetti.
Neuordnung des Jet-Streams
Deutschlands bekanntester Klimaforscher, Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, fügt hinzu: Die langanhaltende Trockenheit dieses Jahres auf der nördlichen Halbkugel sei auf eine "Neuordnung des Jet-Streams" in der oberen Atmosphäre zurückzuführen, weil sich die Arktis derzeit vier Mal schneller erwärme als der Rest der Welt.
An die bisherigen Opfer des Klimawandels erinnert der Präsident des Nationalen Forschungsrates Italien, Massimo Inguscio, Mitorganisator der Konferenz bei der Päpstlichen Wissenschaftsakademie: massenhafter Artenschwund, Verluste in der Landwirtschaft, Wüstenbildung und extreme Wetterphänomene. Resigniert stellt Peter Wadhams, führender Experte für Meeresphysik, fest: Trotz inzwischen jahrzehntelanger Warnungen hat der von Menschen verursachte CO2-Ausstoß nicht abgenommen.
Woran liegt es? Vor allem an der Politik - und in deren Gefolge an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen, so die einhellige Meinung. Italiens neue Regierung sei da nicht besser oder schlechter als die vorherige, stellt Inguscio fest. Auch in Polen, das im Dezember den Klimagipfel COP24 in Kattowitz ausrichtet, sei das Interesse verhalten, ist zu hören. Dabei müsse von dort ein starkes, deutliches Signal ausgehen.
Der Vorschlag, an den geplanten G20-Gipfel in Buenos Aires eine Botschaft zu senden, stößt in der Runde auf Sympathie, erhält aber einen Dämpfer. "Die Mächtigen hören nicht zu, es geht dort nur um Macht und Politik", meint Jeffrey Sachs, Leiter des UN-Netzwerks zur nachhaltigen Entwicklung. G20-Gastgeber Mauricio Macri habe das Thema Klimawandel von der Tagesordnung genommen - auf Druck von US-Präsident Trump.
Hoffnung aus Afrika
Der positivste Satz des Tages kommt aus Afrika. "Es gibt so viel Hoffnung hier", sagt Mohamed Hasan, Präsident der Wissenschaftsakademie des Sudan. Er spricht über Digitalisierung und Mobilfunk, über Solarenergie für Bewässerung und Kühllagerung, Dronen und grüne Gentechnik. Normalerweise sei Bauer für junge Afrikaner kein attraktiver Beruf. "Aber mit diesen Neuerungen erhält er ein neues Image, wird attraktiver", sagt Hasan und zählt auf, wo in Afrika sich Exzellenzzentren für Zukunftstechnologien ausbreiten.
Bisher leiden Afrikas Bauern mit am stärksten unter den Folgen des vom Norden zu verantwortenden Klimawandels. Sie könnten aber zu Pionieren einer klimafreundlichen Landwirtschaft werden, so Hasan, zumal in Afrika 60 Prozent der weltweit landwirtschaftlich ungenutzten Flächen lägen. "Klimatisch nachhaltige Landwirtschaft" lautet das Zauberwort, mit dem Klimawandel und Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung unter einen Hut kommen sollen.
Fehlender politischer Wille
Da es zur Eindämmung von Treibhausgasen und deren Folgen keinen Königsweg gibt, plädiert Schellnhuber für einen internationalen Wettbewerb von Vorbild-Projekten. Er selber schlägt dazu Holzhäuser vor. Das klingt zunächst etwas schlicht. Weil aber allein die Gewinnung und Produktion von Beton, Stahl und Aluminium zwei Drittel des noch zu verantwortenden CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2050 verursacht und Asien gute Erfahrungen im Hochhausbau mit Hilfe von Bambus hat, deutet sich eine Perspektive an.
Italien hingegen, das jüngst verrottbare Plastiktüten in Supermärkten verpflichtend eingeführt hat, könnte ein Modellland für biologisch abbaubare Kunststoffe werden, Deutschland und Polen für den Ausstieg aus der Kohle. Doch es fehlt am politischen und sozialen Willen, so das Urteil der Wissenschaftler. Wichtig seien internationale Kooperation und Förderung durch Organisationen wie EU und UN, mahnt Angelo Riccaboni von der Universität Siena. Und "es braucht Vertrauen, ohne dies geht es gar nicht", so der Management-Experte.
Schellnhuber sagt später: "Die Instrumente zur Rettung haben wir. Da wäre es schäbig, zu verzweifeln".