Kramp-Karrenbauer kündigt Rückzug vom Parteivorsitz an

Ein Scheitern mit vielschichtigen Hintergründen

Stürmische Tage in Berlin: Nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen kommt die Hauptstadt nicht zur Ruhe. Nun zieht mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine Spitzenpolitikerin Konsequenzen aus dem Debakel.

Autor/in:
Joachim Heinz
Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer / © Kay Nietfeld (dpa)
Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer / © Kay Nietfeld ( dpa )

Nun haben die Turbulenzen um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen auch die Bundes-CDU erreicht. Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte an diesem Montag ihren Rückzug vom Parteivorsitz an. Auch auf eine Kanzlerkandidatur will sie verzichten; beides solle in einer Hand liegen. Lediglich als Verteidigungsministerin will die 57-Jährige weiter amtieren - auf Bitten von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich gegen Ende ihrer wohl letzten Legislaturperiode nicht mehr allzu viele Änderungen in ihrem Kabinett zumuten mag. Es ist ein Abschied auf Raten, den die saarländische Katholikin Kramp-Karrenbauer einläutet.

Offenbar wusste sie vom Thüringen-Debakel

Lange als Hoffnungsträgerin gehandelt, gewann sie vor einem guten Jahr nur knapp die Wahl zum Parteivorsitz - gegen ihren Widersacher Friedrich Merz. Der Druck, die CDU für die Zeit nach Merkel neu auszurichten, wurde nicht kleiner. Im vergangenen Herbst rief sie den Delegierten auf dem Parteitag in Leipzig zu, wenn diese ihr nicht mehr folgen wollten, "dann lasst es uns heute auch beenden". Seitdem galt die Politikerin in Berlin zumindest als angezählt.

In Thüringen scheint sie sich nun im Kampf um Mehrheiten und Macht verheddert zu haben. Dort war in der vergangenen Woche der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überraschend im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt worden - offenbar mit den Stimmen von CDU und AfD. Unklar ist, was Kramp-Karrenbauer im Vorhinein von den Manöver wusste, die zum Thüringer "Sündenfall" führten. Klar wurde in den Tagen danach, dass es ihr nicht gelang, ihren Parteifreunde im Freistaat eine Linie vorzugeben, auf die diese dann einschwenken konnten.

Angesichts einer Parteienlandschaft, die an den Rändern immer stärker wird und in der Mitte schmilzt, gehen den Christdemokraten die Koalitionspartner aus. In Thüringen stellte sich die Lage besonders verzwickt dar. Die CDU war mit 21,7 Prozent hinter den Linken (31 Prozent) und der AfD (23,4 Prozent) auf Platz drei gelandet. Eine Wiederwahl des Linken Ramelow wollten viele in der Thüringer CDU unter allen Umständen verhindern. Vielleicht spielte dabei auch die katholisch-antikommunistische Sozialisation wichtiger Mitglieder des Thüringer CDU-Landesverbandes eine Rolle, für die das Nein zur SED-PDS-Nachfolgepartei unverrückbar feststeht.

Nein zu Ramelow

Stellvertretend für diese Haltung stand der Tweet an den Katholiken Kemmerich, über den der Ostbeauftragte der Bundesregierung Christian Hirte - auch er ein Katholik - am Wochenende sein Amt verlor: "Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben."

Kramp-Karrenbauer, ebenfalls Katholikin, wird diesen Zwiespalt wahrgenommen haben. Mit ihrem Nein zu Ramelow dockte sie, auch aus eigener Überzeugung, an die konservative Grundmentalität der Thüringer CDU an - und musste damit in der aktuellen Berliner Gemengelage scheitern. Damit setzt sich ein Grundwiderspruch fort, der sich schon beim volksnah wirkenden Auftritt im Karneval als "Putzfrau Gretl" zeigte, auf den die Hüter der politischen Korrektheit irritiert reagierten.

Mit Pragmatismus zu Reformen

Als Parteivorsitzende versuchte die pragmatische Politikerin, auf den konservativen Flügel der CDU zuzugehen, der sich seit langem von Merkel im Stich gelassen fühlt. Dazu gehörte beispielsweise ein Vorstoß zur Neupositionierung in der Flüchtlingspolitik.

Das "C" im Parteinamen sei "Leitbild und Verantwortung zugleich", betonte sie in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das gelte besonders für den Lebensschutz. Zur Zivilehe von schwulen und lesbischen Paaren sagte sie: "Ehe ist für mich die Verbindung von Mann und Frau. Dieser Überzeugung will ich treu bleiben, auch wenn dies vielleicht mittlerweile eine Minderheitenposition ist." Als Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) machte sich Kramp-Karrenbauer zuletzt für Reformen in ihrer Kirche stark.

In der eigenen Partei bleibt es einstweilen beim bisherigen Kurs. "Jede Annäherung an die Afd schwächt die CDU", sagte die Noch-Parteivorsitzende. Eine Zusammenarbeit mit der Linken könne es ebenfalls nicht geben. Wer immer Kramp-Karrenbauer nachfolgt, steht vor schwierigen Entscheidungen.


Kramp-Karrenbauer bei der Pressekonferenz nach ihrem Rückzug / © Jörg Carstensen (dpa)
Kramp-Karrenbauer bei der Pressekonferenz nach ihrem Rückzug / © Jörg Carstensen ( dpa )
Quelle:
KNA