Von der Religionsfreiheit könne grundsätzlich jede Gemeinschaft profitieren, sagte Kretschmann am Donnerstagabend in Stuttgart. Mit Blick auf die Kirchensteuer sagte er, an deren Erhebung verdiene der Staat, indem er von den Kirchen für diese Dienstleistung drei bis vier Prozent der Einnahmen einfordere.
Das deutsche Religionsverfassungsrecht ist aus Kretschmanns Sicht "auf Institutionen zugeschnitten". Das zeige neben dem Christentum das Judentum. Ein Problem sei, dass dieses Modell für Muslime entsprechend deren Selbstverständnis nicht funktioniere. Für das Staat-Kirche-Modell der Bundesrepublik brauche es aber institutionelle Partner seitens der jeweiligen Religion.
Mitgliederschwund "vielleicht ganz normal"
Eine Ablösung der sogenannten Staatsleistungen hält Kretschmann zurzeit für nicht wahrscheinlich. Es sei unklar, wie das Land eine Entschädigung bezahlen könne. Allerdings halte er die Frage für berechtigt, ob das Fortbestehen der alten kirchlichen Ansprüche heutzutage noch sinnvoll sei.
Mit Blick auf den Mitgliederschwund der beiden großen Kirchen nannte Kretschmann die Entwicklung "vielleicht ganz normal". Wenn etwa 20 Prozent einer Gesellschaft einer Kirche angehörten, sei das schon viel. Aus seiner Sicht ist es "eher erstaunlich, dass der Prozess so spät eingesetzt hat". Dass es mit Olaf Scholz (SPD) erstmals einen Regierungschef ohne Kirchenmitgliedschaft gebe, nannte der Katholik einen "Einschnitt".
Existenzielle Fragen wichtig
Kretschmann äußerte sich bei der Reihe "Alles andere als 'egal'". Hinter den Veranstaltungen zur Situation des Religionsunterrichts stehen die zwei katholischen Bistümer im Südwesten und die beiden evangelischen Landeskirchen. Die Kirchen wollen zeigen, dass es gerade auch angesichts von Krisenerfahrungen für Kinder und Jugendliche wichtig sei, die Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu des Lebens erörtern zu können. Zur Reihe gehören Vorträge, Werkstattgespräche, Schulbesuche von Landtagsabgeordneten, Umfragen unter Schulleitungen, Online-Aktionen und eine Podcast-Reihe.
In Baden und Württemberg erhalten aktuell rund 800.000 Kinder und Jugendliche evangelischen oder katholischen Religionsunterricht. Das sind knapp zwei Drittel der Heranwachsenden. Etwa jeder fünfte Teilnehmende ist konfessionslos.