"Es kann nicht sein, dass viele Städte Europas angeboten haben, Flüchtlinge aufzunehmen, und die Regierungen das einfach, wie jüngst der Innenminister im Fall von Berlin, blockieren", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag).
Deutschland will bis Ende August 928 Menschen aus den griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen. Zuletzt hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dagegen ausgesprochen, dass einzelne Bundesländer zusätzlich freiwillig Flüchtlinge unterbringen. Konkret ging es um Pläne des Berliner Senats, wonach 300 Menschen in die Hauptstadt hätten kommen sollen.
"Sea-Watch 4" ist auch politisches Zeichen
Das Rettungsschiff "Sea-Watch 4", das in diesen Tagen in See stechen soll, sei einerseits eine humanitäre Hilfsmaßnahme, betonte Bedford-Strohm. "Natürlich soll keine Parteipolitik in die Kirchen einziehen. Aber es geht darum, auf Grundlage unseres Glaubens zu handeln." Insofern sei das Schiff auch ein "politisches Zeichen dafür, dass wir uns weiter einmischen werden". So würden die Kirchen weiterhin "dafür kämpfen, dass die Kriminalisierung der Seenotrettung aufhört". Diese Haltung habe auch dazu geführt, dass viele Menschen ihr Kirchenbild korrigiert hätten, sagte der bayerische Landesbischof.
Dies betreffe vor allem "die Leute zwischen 20 und 30 Jahren, die - wenn sie ihren ersten Gehaltszettel mit dem Kirchensteuerabzug in der Hand halten - sonst womöglich austreten". Dies zeige, dass die Kirche agil sein müsse: "Sie muss auch mal etwas riskieren und noch mehr mit Menschen zusammenarbeiten, die nicht zum Kernbereich der Kirche gehören."
Kirchen stünden nicht kurz vor dem Aussterben
So müsse sich die Kirche fragen, was Menschen brauchten und wie die Institution sich verändern könne, um ihnen das zu bieten. "Gerade in der Corona-Krise ist sichtbar geworden, wie groß das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Orientierung in der Gesellschaft ist", betonte Bedford-Strohm.
Zu den Austrittszahlen ergänzte der EKD-Ratsvorsitzende, er habe nicht das Gefühl, dass die Kirchen "kurz vor dem Aussterben" stünden. Auch wenn im Jahr 2060 womöglich nur noch 20 Millionen Menschen einer der großen Kirchen angehören würden, wie eine Studie prognostiziert hatte, wäre dies immer noch "eine riesige Zahl" - zumal in einer Gesellschaft, in der Institutionen immer weniger Bedeutung hätten.