Aus der Sicht von Erzbischof Georg Gänswein war der frühere Papst Benedikt XVI. bereits als Kurienkardinal die "entscheidende Figur" für einen Mentalitätswandel der katholischen Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch. Leider zeige sich in den öffentlichen Reaktionen zu der Entschuldigungsbitte Benedikts insbesondere in Deutschland "eine maßlose Voreingenommenheit" und teils "maßlose Unkenntnis der Fakten", sagte er in einem Gespräch mit dem privaten TV-Sender EWTN (Dienstag).
Man wolle dem Mann "an den Karren fahren", der zum Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauch und Pädophilie "die entscheidenden Hilfen angeregt und dann umgesetzt hat". Dem emeritierten Papst werde vielfach etwas unterstellt, das 25 Jahren Arbeit widerspreche, so Gänswein. Auch zeige die Aktenlage des Münchner Missbrauchsgutachtens, dass Erzbischof Ratzinger über die pädophile Vorgeschichte eines in der Diözese aufgenommenen Priesters ebenso wenig informiert gewesen sei wie darüber, dass dieser später in der Seelsorge tätig war.
Welche Rolle spielt der Synodale Weg?
Zur Frage des Moderators nach der politischen Dimension des Berichts der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) sagte Gänswein, man könne spekulieren, ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung mit dem Synodalen Weg in Deutschland zusammenhänge. Klar sei aber, dass die Reformdebatte des Synodale Wegs "auf etwas zielt, dem die Person Benedikts im Wege steht". Es sei eine Gefahr, den Missbrauch herzunehmen, um einen Weg zu eröffnen, der "nicht mit der Offenbarung und dem katholischen Kirchenverständnis vereinbar" sei.
In dem Gespräch schilderte der Privatsekretär des emeritierten Papstes noch einmal, wie es zu der 82-seitigen Einlassung Benedikts in dem Mitte Januar veröffentlichten WSW-Gutachten zu Missbrauch in der Erzdiözese München-Freising kam. Ebenso erläuterte er noch einmal die Entstehung der knapp drei Wochen später veröffentlichten persönlich gehaltenen Stellungnahme Benedikts und der Erklärung seiner rechtlichen Berater.