Kritik wegen Vernichtung von Material im Fall Dillinger

Untersuchung angekündigt

Der Priester Edmund Dillinger steht im Verdacht, zahlreiche junge Menschen missbraucht zu haben. Fotos und Unterlagen aus seinem Besitz könnten bei der Aufklärung helfen. Doch ein Teil der Dokumente wurde nun vernichtet.

Autor/in:
Anna Fries
Geschreddertes Papier / © StockTom (shutterstock)

Die Vernichtung von Dokumenten und Fotografien aus dem Besitz des Priesters Edmund Dillinger sorgt für Unverständnis und Kritik. Während sich die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken am Freitag für das Vorgehen entschuldigte, kündigte der saarländische Innenminister Reinhold Jost (SPD) eine Untersuchung dazu an. Missbrauchsbetroffene, der Neffe des beschuldigten Trierer Priesters und ein kirchlicher Sonderermittler äußerten sich fassungslos. Der 2022 gestorbene Dillinger wird des sexuellen Missbrauchs verdächtigt. Bei ihm wurden Hunderte, zum Teil pornografische Fotos gefunden.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken bestätigte am Freitag, dass ein Teil der Unterlagen aus dem Haus Dillingers von der Polizei vernichtet worden sei. Generalstaatsanwalt Manfred Kost entschuldigte sich dafür und erklärte, dies sei nicht die richtige Maßnahme gewesen. Die Behörden hätten prüfen müssen, "ob die Unterlagen noch für Vorgänge außerhalb der Strafverfolgung mit Blick auf Opferschutzinteressen und kircheninterne Aufklärungen oder gar bei neuen Ermittlungsansätzen zur Verfügung stehen sollten, auch wenn sich aktuell keine Verdachtsmomente ableiten ließen".

Nicht vernichtet worden seien die zum Teil jugendpornografischen Fotos, so die Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Sie befinden sich weiter bei der Staatsanwaltschaft Mainz. Verbrannt worden seien beispielsweise Reisefotos und Terminkalender.

Vernichtung als übereilig kritisiert

Erzbistum Köln muss 300.000 Euro an Missbrauchsopfer zahlen

Das Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schadensersatz an einen Missbrauchsbetroffenen zahlen. Das entschied das Landgericht Köln.

Der Betroffene hatte 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Er hatte bereits 25.000 Euro von der Diözese in Anerkennung seines Leids erhalten. Bei einem ersten Verhandlungstermin Anfang Dezember hatte Richter Stephan Singbartl einen Vergleich vorgeschlagen. Es kam jedoch nicht zu einer Einigung. Der Prozess könnte Vorbildcharakter für weitere Schmerzensgeldklagen gegen die katholische Kirche haben.

Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera (shutterstock)
Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera ( shutterstock )

Weiter gibt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken an, Dillingers Neffe habe nur bestimmte Dinge aus dessen Besitz zurückhaben wollen und sei mit der Vernichtung der anderen Unterlagen einverstanden gewesen. Dem widerspricht der Neffe mit Nachdruck. "Ich gebe nichts frei, was ich nicht kenne», sagte er am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er habe keine Liste mit den im Haus seines Onkels sichergestellten Fotos und Unterlagen aus Saarbrücken erhalten. Zudem habe er der saarländischen Polizei gesagt, dass er Unterlagen und Fotos in Empfang nehme, um sie anderen Stellen – beispielsweise dem Betroffenenverein Missbit – für eine mögliche weitere Aufarbeitung zu überlassen.

Missbit kritisierte die Vernichtung am Freitag als übereilig. Womöglich seien nun wichtige Belege verschwunden. Gerade die Terminkalender hätten Betroffenen unter Umständen helfen können, Begegnungen mit Dillinger zu belegen. Für Geldzahlungen der Kirche oder in Zivilverfahren hätte das nützlich sein können.

Einer der beiden kirchlichen Sonderermittler für den Dillinger-Fall, der frühere Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer, nannte die Vernichtung bitter für die Aufarbeitung. "Wir hatten große Hoffnung in das Material gesetzt", sagte er der KNA. Sein am 20. Juni in Saarbrücken gestellter Antrag auf Akteneinsicht sei noch unbeantwortet. Umso bedauerlicher sei es, dass nun ein Teil des Materials vernichtet sei.

Anfangsverdacht des sexuellen Missbrauchs

Unterdessen kündigte Jost an, die Vernichtung des Materials untersuchen zu lassen. Den Prozess leite der Chef der Polizeiabteilung im Innenministerium, Thorsten Weiler. "Bei der Aufarbeitung geht es nicht nur um eine rechtliche oder juristische Prüfung, sondern insbesondere um die ethisch-moralische Dimension des zugrundeliegenden Sachverhalts", sagte Jost laut "Saarbrücker Zeitung".

Die weiteren Ermittlungen im Fall Dillinger übernahm derweil die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken. Nach neuen Medienberichten hätten sich Hinweise auf "mögliche konkretisierbare Taten" ergeben. Es sei daher ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Anfangsverdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen eingeleitet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte an, in alle Richtungen zu ermitteln.

Darüber hinaus wurde am Freitag bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Mainz das Verfahren gegen den Neffen Dillingers eingestellt hat. Ihm wurde vorgeworfen, pornografische Fotos seines Onkels nicht sofort an die Polizei weitergegeben zu haben. Der Neffe hatte im Haus des verstorbenen Priesters zahlreiche Bilder gefunden, die unter anderem nackte junge Menschen zeigen. Konkret wertete die Mainzer Staatsanwaltschaft demnach 4.385 Fotos aus, darunter Dias und Papierfotos. Zehn Aufnahmen zeigen demnach strafrechtlich relevante jugendpornografische Inhalte. Weitere zwölf Fotos seien im Grenzbereich zu Jugendpornografie einzuordnen.

Quelle:
KNA