Künstler thematisiert Verhältnis zwischen Glauben und Wissen

"Am Anfang der Schöpfung stehen Differenzierungen"

Albrecht Behmel ist preisgekrönter Künstler und stellt seine Werke weltweit aus. Aber er ist auch gläubiger Christ und interessiert sich für die Zusammenhänge zwischen Glauben und Wissen.

Ausschnitt aus "Der Baum des Lebens" von Albrecht Behmel / © Studio Zollernhaus
Ausschnitt aus "Der Baum des Lebens" von Albrecht Behmel / © Studio Zollernhaus

DOMRADIO.DE: Was hat Sie dazu inspiriert, eine Ausstellung unter dem Titel "Glauben oder Wissen" zu gestalten? 

Künstler Albrecht Behmel  / © Studio Zollernhaus
Künstler Albrecht Behmel / © Studio Zollernhaus

Albrecht Behmel (Künstler): Entstanden ist diese Idee mit der Frage, wie sich die zwei Denkansätze zueinander verhalten. Immer wenn ich mich mit einem Thema beschäftige, befrage ich Fachleute. Zum Beispiel Wissenschaftler, Mathematiker und Philosophen, um zu lernen, was sich in einem Thema verbergen könnte. 

Albrecht Behmel

"Was mich interessiert, war nicht die Frage, in wie viel Tagen die Welt erschaffen wurde, sondern dass am Anfang der Schöpfung Differenzierungen stehen"

Und mir ist in den Gesprächen aufgefallen, dass man glauben muss, dass Wissenschaft überhaupt funktionieren kann. Dass wir hoffen, dass es eine Wahrheit gibt, die wir ergründen können. Auch das ist eigentlich kein wissenschaftlicher Gedanke, sondern es ist eine Art Hoffnung, dass wir uns auf unser Gehirn verlassen können. 

DOMRADIO.DE: Können Sie ein Beispiel nennen, wie wissenschaftliches Denken in der Bibel verankert ist? 

Behmel: Da könnte man wahrscheinlich am leichtesten im ersten Buch Mose Genesis etwas finden, und zwar in der Schöpfungsgeschichte. Häufig wird sie wahrgenommen als das Gegenteil von einer wissenschaftlichen Erklärung. Aber was mich interessiert, war nicht die Frage, in wie vielen Tagen die Welt erschaffen wurde, sondern dass am Anfang der Schöpfung Differenzierungen stehen. 

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Das ist eine Unterscheidung in zwei, dann Licht und Dunkel, Tag und Nacht, Land und Wasser, Pflanzen und Tiere, Tiere und Menschen. Das ist dieser Ansatz im Alten Testament, ständig nach neuen Differenzierungen zu fragen. So gibt es also zum Beispiel auch diese berühmte Stelle, in der Gott Adam beauftragt, Tiere und Pflanzen zu benennen. Das ist eine zutiefst wissenschaftliche Aufgabe. 

DOMRADIO.DE: Viele Menschen sagen, Wissen und Glauben stehen in einem Konflikt zueinander. Was sagen Sie dazu? 

Behmel: Ja, das ist ein häufig behaupteter Konflikt, den ich überhaupt nicht finden kann. Ich glaube, es sind eher zwei Seiten der gleichen Medaille. Oder es sind zwei komplementäre Ansätze, wie man die Beschäftigung mit der Natur erklären könnte. 

Wissen und Glauben basieren eher aufeinander. In der Art, wie man zum Beispiel sagen könnte die Wissenschaft befasst sich mit dem, wie die Welt aufgebaut ist. Also woraus besteht zum Beispiel Metall? Aber Wissenschaft kann nicht beantworten, warum es existiert. Es beantwortet nie unsere Neugierde nach den Beweggründen. 

Albrecht Behmel

"Ich war schockiert darüber, wie leicht es ist, mit sehr berühmten Wissenschaftlern ins Gespräch zu kommen"

DOMRADIO.DE: Sie haben extra für diese Ausstellung mit Nobelpreisträgern gesprochen. Warum haben Sie das gemacht und wie war das? 

Behmel: Ich war schockiert darüber, wie leicht es ist, mit sehr berühmten Wissenschaftlern ins Gespräch zu kommen. Viele berühmte Wissenschaftler sind ja Lehrstuhlinhaber an ganz normalen Universitäten. Auf der Website der Universität gibt es eine Seite mit den ganzen Kontaktdaten von weltbekannten Physikern und Chemikern und man kann dort einfach eine E-Mail hinschicken. Ich war sehr überrascht, wie viel Material ich auf einmal hatte.

Wenn man versuchen würde, zum Beispiel ein Bild über die Fußballbundesliga zu malen, hätte man es wesentlich schwerer, weil dort die Stars abgeschirmt sind gegenüber der Öffentlichkeit und im Wissenschaftsbetrieb ist das alles extrem transparent. Und so habe ich dann einfach gefragt: Welche Visualisierungen, welche Metaphern, welche Symbole und Geschichten verwenden Sie, um Ihren Studenten dieses komplexe Themengebiet näher zu bringen?

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie es geschafft, diese abstrakten Dinge, wie zum Beispiel der Moment in dem das erste Mal Licht wurde, darzustellen? 

Behmel: Wenn man zum Beispiel an Kirchenfenster denkt, ist es eigentlich kirchliche Tradition, extrem abstrakte Dinge zu visualisieren. Durch Symbole wie Lamm, Fisch, Kreuz, Kelch, Brot, Wein erhalten ganz anmutende Dinge eine symbolische Bedeutung, weil diese hoch abstrakten Themen auch auf einer fast kindlichen Art und Weise funktionieren. Also zum Beispiel, wenn wir Besucher von Schulklassen im Atelier haben, dann funktionieren die Bilder für Kinder genauso wie für erwachsene Spezialisten in ihrem in ihrem Bereich. 

Albrecht Behmel

"Man könnte sagen, dass diese drei Bilder (...) die Grundstruktur der Realität darstellen sollen."

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten mit vielen knallige Farben und Formen. Welchen Stil haben Sie bei dieser Ausstellung gewählt, um Glauben und Wissen darzustellen?

Behmel: Die Bilder sind tatsächlich wie eine Art Mosaik oder ein Puzzle. Sie wirken wie großflächige Kirchenfenster. Diesen Stil nenne ich “Abstrahismus“. Das ist eine Wortschöpfung, die einfach darauf hinzielt, dass die Bilder abstrakt wirken, es aber nicht sind. Große, puzzleartige Formen, die ineinandergreifen und koloriert sind. So ähnlich, wie Kinder das in ihren Malbüchern auch machen. 

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns über die dreiteilige Reihe “Es werde Licht“ sprechen. Was hat es damit auf sich? 

Behmel: "Es werde Licht" ist eine Stelle im Buch Genesis. Sie ist sehr rätselhaft, weil niemand weiß, wie es aussehen könnte, wenn Licht wird. Also wenn wir zum Beispiel ein dunkles Zimmer betreten und Licht anmachen, dann muss dieses Licht ja etwas bestrahlen. Wir sehen die Wände, den Fußboden, die Möbel und vielleicht auch Leute. Aber wenn das Licht per se zu existieren anfängt, aber die Welt noch gar nicht zu Ende erschaffen ist, was bestrahlt dieses Licht? Hauptsächlich nichts. 

Mathematisch kann man erst Kreise malen. Es ist eine Gestalt, die zwei Informationen benötigt. Zwei Punkte, die um einanderkreisen oder die voneinander einen Abstand haben. Also Mittelpunkt und Radius. Das erste Bild ist die Antwort auf die Frage, wie es ausgesehen haben könnte, wenn es Licht wird. Und dazu kommen dann eben die Verkomplizierungen.

Wenn man beim Kreis zwei Informationen braucht, geht es in der nächsten Stufe zum Dreieck, bei dem man drei Informationen braucht, nämlich die drei Eckpunkte. Dann kommen die Vierecke und die Vielecke. Und aus diesen Vierecken und Vielecken kann man schon ziemlich viel basteln. Man könnte sagen, dass diese drei Bilder Kreis, Dreieck und Vieleck, die Grundstruktur der Realität darstellen sollen. 

Das Interview führte Lara Burghardt. 

Die Ausstellung "Glauben oder Wissen” von Albrecht Behmel gibt es bis zum 19. Oktober 2024 in der BEGE Galerie in Ulm zu sehen. 

Quelle:
DR