Trotz drohender Engpässe bei der kostenlosen Lebensmittelausgabe an Bedürftige können die 112 Tafeln in Nordrhein-Westfalen nicht mit einer finanziellen Rückendeckung durch das Land rechnen. "Eine direkte Förderung der Tafeln ist leider nicht möglich", teilte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch dem Sozialausschuss im Landtag mit.
Nach der Diskussion um den Ausländerstopp bei der Essener Tafel befürchtet Laumann «ähnliche Probleme» auch bei anderen Einrichtungen. Zwar sei die Menge der gespendeten Lebensmittel "tendenziell steigend, aber nicht in der Geschwindigkeit, in der die Nachfrage steigt". Deshalb stelle die Tafel in Marl bereits seit Mitte vergangenen Jahres an alleinstehende Männer keine neuen Berechtigungsscheine mehr aus.
Tafeln für Rentner und Alleinerziehende
Während die Tafel in Essen Ende März ihren umstrittenen Ausländerstopp wieder aufheben will, hält die politische Diskussion um die kostenlose Ausgabe von Lebensmitteln und Bekleidung unvermindert an. Das Anwachsen der Tafeln in Deutschland sei für ihn kein Hinweis auf steigende Armut, hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärt. Die staatliche Unterstützung, die ein junger Flüchtling erhalte, sei "in hohem Maße ausreichend". Die Tafeln seien eher für Rentner und Alleinerziehende gedacht als für Zuwanderer.
"Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf, bei der Tafel etwas zu bekommen", sagte Laschet. Denn hier handele es sich nicht um eine staatliche Essensausgabe. Dies habe mancher Zuwanderer offenbar missverstanden. Die staatliche Unterstützung, die ein Flüchtling erhalte, sei "in hohem Maße ausreichend", urteilte der Ministerpräsident. Die Tafeln seien eher für Rentner und Alleinerziehende gedacht als für Zuwanderer.
112 Tafeln mit 15.000 Helfern in NRW
Die SPD-Opposition beklagte, dass die Armutsbekämpfung von der Politik bisher weitgehend verdrängt werde. Die Tafeln müssten vielfach als soziale Reparaturbetriebe fungieren, so der SPD-Sozialexperte Josef Neumann. Deshalb gehöre die Situation der Tafeln endlich auf die politische Tagesordnung.
Bei den 112 lokalen Tafeln in NRW engagieren sich laut Sozialministerium 15.000 Ehrenamtliche, die landesweit regelmäßig an 430.000 bedürftige Menschen kostenlos Lebensmittel und Textilien verteilen. Voraussetzung für die Zuwendung sind Nachweise über den Bezug von Hartz IV oder andere Leistungen.
Armut dauerhaft überwinden
Mit dem Zuzug von Flüchtlingen und Arbeitsmigranten seien in den letzten Monaten immer mehr Menschen zu den Tafeln gekommen, berichtete Laumann. Der wachsende Bedarf korrespondiere nicht mit einer entsprechend größeren Menge an zur Verfügung stehenden Lebensmitteln. Deshalb müssten Kriterien gefunden werden, wie die begrenzten Mittel gerecht verteilt werden könnten. Eine Aufteilung in In- und Ausländer kommt dabei für Laumann nicht infrage: "Nächstenliebe und Barmherzigkeit kennen grundsätzlich keine Staatsangehörigkeiten."
Das ist auch der Grundsatz der Düsseldorfer Caritas, die in der Landeshauptstadt mehrere Ausgabestellen für kostenlose Lebensmittel und Kleidung organisiert. Es werde nur nach Bedürftigkeit "unabhängig von der Herkunft und Religion" verteilt, versicherte die örtliche Caritas-Sprecherin, Stephanie Agethen. Diese existenzunterstützenden Angebote linderten zwar akute Notlagen vieler Menschen, aber "Lebensmittelausgaben ersetzen nicht den Sozialstaat". Ziel aller Bemühungen müsse es sein, Armut und soziale Ausgrenzung dauerhaft zu überwinden, sagte Agethen. Deshalb sei eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze dringend notwendig, damit immer höhere Mieten nicht bei Verpflegung und Kleidung eingespart werden müssten.
Kampf gegen Armut ist staatliche Aufgabe
Auch für Laumann sind die ehrenamtlichen Tafeln bestenfalls ein Provisorium der Sozialpolitik. Armutsbekämpfung bleibe eine staatliche Aufgabe, betonte der Minister. Dies gelte konkret für die Mittagsverpflegung bei Kindern oder die Hilfen bei Wohnungsnotfällen.
Derzeit bereite die Landesregierung ein neues Aktionsprogramm gegen Kinderarmut vor. Die beste Sozialpolitik sei, lautet Laumanns Credo, "Menschen in sichere, ausreichend bezahlte Arbeit zu bringen".