Menschenrechtler loben Urteil im Prozess um Staatsfolter

Langer Arm der Justiz

Im weltweit ersten Strafprozess zu Staatsfolter in Syrien hat das Oberlandesgericht Koblenz den Hauptangeklagten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Menschenrechtler begrüßen das Urteil als wichtiges Signal für die Überlebenden.

Autor/in:
Anna Fries
Prozess um Staatsfolter in Syrien / © Thomas Frey (dpa)
Prozess um Staatsfolter in Syrien / © Thomas Frey ( dpa )

Das Gericht befand den Syrer Anwar R. laut Mitteilung für schuldig, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, unter anderem 27-fachen Mord, Folter, Körperverletzung, schwerwiegende Freiheitsberaubung und Vergewaltigung. Mennschenrechtler sehen in dem Urteil auch einen Schritt im Kampf gegen weltweite Straflosigkeit.

Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), das Nebenkläger im Verfahren unterstützte, sprach von einem wichtigen ersten Schritt zur Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien. Andere europäische Strafverfolger sollten auf dieser Basis weitere Verfahren betreiben, sagte Generalsekretär Wolfgang Kaleck.

Hoffnungsschimmer für syrische Überlebende

Das Urteil zeige, was das Weltrechtsprinzip leisten könne. Es sei zwar nur eine Notlösung, aber oft die "letzte Hoffnung für Betroffene schwerster Verbrechen". Die Nebenklägerin Ruham Hawash teilte mit: "Gerechtigkeit muss und darf kein Traum für uns bleiben."

Human Rights Watch wertete die Entscheidung als lange erwarteten Hoffnungsschimmer für syrische Überlebende und Zivilisten. "Der Prozess in Koblenz ist eine Botschaft an die syrischen Behörden, dass der lange Arm der Justiz sie überall erreicht."

Amnesty International Deutschland nannte das Urteil ein historisches Signal im weltweiten Kampf gegen die Straflosigkeit. Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien in Syrien weiterhin "brutale Realität". Das Urteil sei daher eine Mahnung, keine Menschen nach Syrien abzuschieben und nicht mit dem Assad-Regime zusammen zu arbeiten.

Die Heinrich-Böll-Stiftung würdigte die Zeugen für ihren Mut, die erlebten Verbrechen vor Gericht zu beschreiben. Das sei nicht nur belastend, sondern berge auch ein Risiko für deren noch in Syrien lebende Verwandten, sagte Barbara Unmüßig vom Vorstand.

Prozessgrundlage ist Weltrechtsprinzip

In dem Strafprozess sagten seit dem Start im April 2020 mehr als 80 Zeugen aus. Grundlage für den Prozess ist das Weltrechtsprinzip. Seit 2002 können bestimmte Verbrechen - Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen - in Deutschland geahndet werden, auch wenn weder die Tat hierzulande geschehen ist noch die Angeklagten oder die Opfer aus Deutschland kommen. Menschen, die solche Verbrechen begangen haben, sollen in Deutschland nicht frei sein, so die Idee.

Die Bundesanwaltschaft hatte Anwar R. vorgeworfen, 2011 und 2012 in leitender Position im Raum Damaskus für die systematische Misshandlung von Menschen verantwortlich gewesen zu sein und mindestens 4.000 Menschen gefoltert und 30 getötet zu haben. Anwar R. floh Ende 2012 ins Ausland und beantragte schließlich in Deutschland Asyl. Durch Aussagen über seine frühere Tätigkeit bei deutschen Behörden machte er auf sich aufmerksam, was letztlich zur Anklage führte.

Der Mitangeklagte Eyad A. wurde bereits im Februar 2021 vom OLG wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Über seine Revision ist noch nicht entschieden.


Quelle:
KNA