Laut Theologe Tiefensee muss Kirche radikal umdenken

"Es gibt keinen Weg zurück"

Der Leipziger Theologe und Philosoph Eberhard Tiefensee sieht die Kirchen in Deutschland inmitten eines epochalen Umbruchs, der mit der Reformation vergleichbar ist. "Die Vielfalt der Lebensentwürfe wird immer größer".

Symbolbild: Reformen und Veränderungen. / © sulit.photos (shutterstock)
Symbolbild: Reformen und Veränderungen. / © sulit.photos ( shutterstock )

"Die Kirchen müssen sich erstmals in ihrer Geschichte in einer weitgehend religionsfreien Welt zurechtfinden", sagte Tiefensee am Dienstagabend in Karlsruhe. Nostalgie sei fehl am Platz. "Es gibt keinen Weg zurück in die vermeintlich guten alten Zeiten."

Tiefensee sieht Christinnen und Christen daher zu einem radikalen Umdenken aufgefordert. "Wir müssen weg von der Vorstellung, dass Christen die besseren Menschen sind, und wir die anderen davon überzeugen müssten." Stattdessen könne der christliche Glaube nur ein Angebot sein. "Was die anderen mit diesem Angebot machen, entscheiden sie selbst."

Religionsferne Menschen wollten nicht therapiert werden

Der in Leipzig lebende Philosoph und katholische Priester betonte, religionsferne Menschen wollten nicht therapiert oder belehrt werden. "Wir sollten stattdessen anerkennen, dass es sich auch ohne Gott gut leben lässt." Zugleich bleibe es christliche Überzeugung, den Glauben an Gott und den christlichen Glauben an eine gute Zukunft immer neu ins Gespräch zu bringen. Kirche müsse eine dienende Rolle übernehmen und fragen, was sich die anderen von ihr erhofften.

Tiefensee sprach beim Jahresempfang des Foyers Kirche und Recht. Das Foyer organisiert in der Stadt von Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof (BGH) und Generalbundesanwaltschaft Veranstaltungen zu rechtlichen, politischen, philosophischen und theologischen Fragen. Höhepunkt der Arbeit ist der Jahresempfang.

Getragen wird das Foyer in Absprache mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland vom Erzbistum Freiburg und der Badischen Landeskirche. Unter anderen waren BGH-Chefin Bettina Limperg und Generalbundesanwalt Jens Rommel zu der Veranstaltung gekommen.

Erzbischof Burger: Religion sei nicht nur Privatsache

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sagte in seiner Ansprache, Christinnen und Christen könnten viel zu einem guten gesellschaftlichen Miteinander beitragen. Religion sei nicht nur Privatsache. Vielmehr brauche eine Gesellschaft immer einen "gemeinsamen Schatz an gemeinsamen Überzeugungen, um ihren Weg zu gehen". Zur großen geistlichen Tradition Europas zähle auch das Christentum.

Die badische Landesbischöfin Heike Springhart sagte im Blick auf schwindende Religiosität, es komme nicht nur auf die Zahl der Christen an, sondern auch darauf, "ob wir der Gesellschaft etwas zu sagen haben". 

Stephan Burger

Stephan Burger ist seit Juni 2014 Freiburger Erzbischof. Zuvor war er seit 2007 Leiter des diözesanen Kirchengerichts. Zum Bischof weihte ihn sein Amtsvorgänger Robert Zollitsch am 29. Juni 2014.

Burger machte sich als Bischof schnell für die Aufarbeitung von Missbrauch stark. Er berief eine eigene Kommission und suchte das Gespräch mit Betroffenen. Auch bei der Deutschen Bischofskonferenz trägt er seit 2022 Verantwortung in diesem Bereich.

Erzbischof Stephan Burger / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Stephan Burger / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA