Die große digitale Uhr rennt: Jede Sekunde vergrößert sich die leuchtende Zahl auf der neu gestalteten Weltbevölkerungsuhr der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) in Hannover. Am Dienstag dürfte sie auf 8 Milliarden springen, erwarten die Vereinten Nationen. Ob die Weltbevölkerung tatsächlich genau am 15. November die historische Marke überschreitet, ist zwar nicht genau auszurechnen. Doch der Trend ist klar. Jedes Jahr wächst die Weltbevölkerung nach den Daten der Bevölkerungsforscher derzeit um 65,8 Millionen Menschen, jeden Tag um 180.000. Jede Sekunde werden 2,1 Menschen geboren.
Eine scheinbar unaufhörliche Dynamik, auch wenn sich die Zählgeschwindigkeit der Uhr verringert. Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen liegt das Bevölkerungswachstum unter ein Prozent pro Jahr und wird in Zukunft weiter zurückgehen, so die DSW. Das höchste jährliche Wachstum wurde 1964 mit 2,2 Prozent erreicht.
Zuvor war die Weltbevölkerung über Jahrhunderte sprunghaft angewachsen. Um Christi Geburt lebten geschätzte 190 Millionen Menschen auf dem Globus. Kurz nach 1800 war die erste Milliarde erreicht, die zweite Milliarde bereits im Jahr 1928. "Im Jahr 2050 werden wir 9,7 Milliarden und in den 2080er Jahren rund 10,4 Milliarden sein", prognostizieren die Wissenschaftler. Wer Lust hat, kann auf der Homepage der DSW sein Geburtsdatum eintragen und ermitteln, wie viele Menschen zur Zeit der eigenen Geburt auf der Erde lebten.
Afrika verdoppelt sich
Das größte Wachstum der Bevölkerung erwarten die Wissenschaftler in Afrika. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich 2,5 Milliarden Menschen dort leben und damit ungefähr doppelt so viele wie derzeit (1,25 Milliarden). "Subsahara-Afrika wird nach aktuellen Prognosen noch deutlich weiterwachsen. Ein Großteil des künftigen Wachstums der Weltbevölkerung wird in dieser Region und in einigen Ländern in Asien stattfinden", sagt Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. In Subsahara-Afrika lebt die größte Jugendgeneration aller Zeiten; 43 Prozent der dortigen Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre alt.
"Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern wäre", so lautet ein Gedankenexperiment der DSW: 2021 wären darunter 60 Asiaten, 17 Afrikaner, 9 Europäer, 8 Lateinamerikaner, 5 Nordamerikaner und 1 Ozeanier. Die Zahl der Dorfbewohner würde dann bis 2050 auf 124 steigen: Davon wären 67 Asiaten, 32 Afrikaner, 10 Lateinamerikaner, 9 Europäer, 5 Nordamerikaner und 1 Ozeanier.
Verschiebungen zwischen Ländern
Auch zwischen einzelnen Staaten zeichnen sich enorme Verschiebungen ab. China als bislang noch bevölkerungsreichstes Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern könnte schon kommendes Jahr von Indien überholt werden, das derzeit 1,3 Milliarden Einwohner, aber eine höhere Geburtenrate verzeichnet. Bis 2050 dürfte Nigeria die USA als Land mit der drittgrößten Bevölkerung der Welt verdrängen.
Wichtige Faktoren des Bevölkerungswachstums sind die steigende Lebenserwartung und die höheren Überlebensraten von Kindern. Die Zahl der Menschen über 60 Jahre wird sich laut den UN-Schätzungen von heute knapp einer Milliarde auf 3,1 Milliarden im Jahr 2100 mehr als verdreifachen. Möglich ist beides vor allem durch den medizinischen Fortschritt und bessere Hygiene.
Kinder gelten immer noch als Altersversicherung
Die Bevölkerungsentwicklung folgt indes keinem Naturgesetz, heißt es bei der DSW. "Fehlende sexuelle Aufklärung, Zugang zu Sekundarbildung für Mädchen und der Mangel an Verhütungsmitteln führen dazu, dass die Frauen in vielen Regionen sehr viel mehr Kinder gebären, als sie sich wünschen und vor allem auch versorgen können", erklärt Geschäftsführer Jan Kreutzberg.
Gerade in den benachteiligten Regionen gelten Kinder immer noch als Altersversicherung. Hinzu kämen traditionell und patriarchalisch geprägte Familienstrukturen, in welchen die Mädchen auf die Rolle der Mutter reduziert würden und oft schon im Teenageralter die ersten Kinder bekämen. "Spätestens dann werden sie in der Regel von der Schule ausgeschlossen und die Armutsspirale ist programmiert", mahnt Kreutzberg.