Katholische Kirche startet ein Jahr der Familie

Leiden und Chancen der Liebenden

Lange Zeit war es ruhig um das Papstschreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie. Nun holt Franziskus es wieder hervor und will die Diskussion weiterführen. Anders als bisher vor allem mit Familien selber.

Autor/in:
Roland Juchem
Füße unter einer Bettdecke / © didesign021 (shutterstock)
Füße unter einer Bettdecke / © didesign021 ( shutterstock )

Franziskus will, dass seine Schreiben keine bloßen Buchstaben bleiben. Zu einigen schiebt er fünf Jahre später ein ganzes Aktionsjahr hinterher - damit "Butter bei die Fische" kommt. Im Sommer 2020 startete der Vatikan ein "Laudato-si"-Jahr mit Webinaren, Kongressen, örtlichen Initiativen und Netzwerken von Jungunternehmen. So soll die Idee einer sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaft endlich konkreter werden. Das Gleiche ist für "Amoris laetitia" geplant.

Schreiben und Empörung

Mit dem am 19. März, dem Tag des heiligen Josef, unterzeichneten Schreiben fasste der Papst 2016 die Ergebnisse der beiden Familien-Synoden von 2014 und 2015 zusammen. Bekannt wurde "Amoris laetitia" aber, weil es Franziskus den öffentlichen Tadel von vier Kardinälen eintrug - sogenannte "Dubia". Später warfen ihm etliche mehr oder weniger prominente, konservative Theologen und Intellektuelle gar "Häresie" vor: Der Papst zersetze traditionelle katholische Lehren zu Ehe und Familie.

Auslöser der Empörung: In einer Fußnote eröffnete Franziskus die Möglichkeit, dass geschiedene und wieder verheiratete Paare nach Rücksprache mit einem Seelsorger unter Umständen wieder zur Kommunion zugelassen werden. Kein allgemeiner Freibrief, sondern ein Fall für die von Franziskus geforderte "geistliche Unterscheidung". Mit ihrer Hilfe gelte es herauszufinden, was in der jeweiligen konkreten Lage Gottes Wille ist.

"Amoris-laetitia"-Familien-Jahr

Weil aber das knapp 300 Seiten starke Schreiben über die "Freude der Liebe" in der Familie viel mehr enthält, gibt es nun ein ganzes "Amoris-laetitia"-Familien-Jahr. Genauer gesagt sind es 15 Monate; enden soll das Aktionsjahr beim katholischen Weltfamilientreffen am 26. Juni 2022 in Rom. Die federführende Vatikanbehörde für "Laien, Familie und Leben" denkt dabei in ganz großen Linien.

"Jede Familie weltweit" will man mit "geistlichen, seelsorglichen und kulturellen Angeboten" für Gemeinden, Diözesen, Universitäten und kirchlichen Vereinigungen erreichen. "Die Familie", so heißt es, verdiene ein solches Festjahr, damit sie ins Zentrum kirchlichen Engagements rückt.

Ziele des "Amoris-laetitia"-Jahres sind: 1. Das Papstschreiben bekannter zu machen, 2. für das "Sakrament der Ehe als Geschenk" zu werben, 3. Familien an der Gemeindeseelsorge zu beteiligen, 4. jungen Menschen zu vermitteln, wie wichtig Bildung und menschliche Reife für Liebe und Sexualität sind sowie 6. das Verständnis von Familienseelsorge bereichsübergreifend zu erweitern. Neben Ehepaaren und Kindern sollen auch Jugendliche, ältere Menschen und vor allem Familienkrisen in den Blick kommen.

Franziskus selber sprach bei der Ankündigung davon, "das Ideal der ehelichen und familiären Liebe neu vor Augen zu führen". Dieses Ideal allerdings soll so vermittelt werden, dass es Paaren und Familien angesichts ihrer eigenen Lebensverhältnisse und Schwierigkeiten wirklich hilft.

Der Papst will die katholische Auffassung von Ehe, Liebe und Sexualität aus der Mief-Ecke von Lebensfeindlichkeit und rigider Lehre, in der viele sie sehen, herausholen. Der christliche Glaube bietet seiner Ansicht nach viel mehr dazu, ohne dass es großer Änderungen in der Morallehre bedarf. Solche seien, das hat Franziskus auch gesagt, nicht notwendig und mit ihm auch nicht zu machen.

Internationales Forum

Für Aufmerksamkeit dürfte ein internationales Forum vom 9. bis 12. Juni sorgen: "Wo stehen wir mit 'Amoris laetitia'? Strategien zur Umsetzung des Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus". Angesprochen sind Experten für Familienpastoral in Bischofskonferenzen, internationalen Bewegungen und Familienverbänden. Zudem soll monatlich ein Video erscheinen, in dem Franziskus den Angehörigen verschiedenster Familie die einzelnen Kapitel seines Schreibens noch einmal erklären will.

In weiteren Video-Projekten geht es um den Glauben und das Leben geistig und körperlich behinderter Menschen. Im Angebotspaket der Vatikanbehörde von Kardinal Kevin Farrell sind des weiteren ein Dutzend Ideen für familienseelsorgliche Projekte, der von Franziskus ebenfalls neu eingeführte "Welttag für Großeltern und Senioren" im Juli. Rund um den Valentinstag 2022 gibt es Aktionen für Verliebte - und am Ende das große Weltfamilientreffen mit dem Papst in Rom.

Das letzte derartige Treffen 2018 in Dublin war überschattet von den Themen Missbrauch und Misshandlung in irischen Waisenhäusern. Auf dem Rückflug fügte Franziskus der Debatte ungewollt eine missverständliche Äußerung über Homosexualität hinzu. Sich nur an medienwirksamen Reizthemen abzuarbeiten, ist sicher nicht im Sinne der Initiatoren des neuen Aktionsjahres.

Was mit Blick auf die vielen anderen Aspekte rund um Familie - Ehe, Sexualität, Einsamkeit, Partnerschaft, Erziehung, Glaubensvermittlung, Pubertät, Alter, Pflege, Work-Life-Balance, Gewalt, Armut, Krankheit, Behinderung - konkret geschieht, hängt von den Gutwilligen und Engagierten vor Ort ab. Aspekte und Themen bietet "Amoris laetitia" zu Genüge: von der Entwicklung biblischer Aussagen zu Ehe und Familie über deren soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliche und gesundheitliche Lebensbedingungen, Liebe, Sexualität, Nachkommen, Erziehung, Pflege, Beruf, Glaube, Gemeindeleben und was all dies für die Seelsorge bedeutet.


Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA
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