Libanesischer Patriarch Rai verurteilt Pager-Angriffe

Völkerrecht-Experten uneins

Kardinal Bechara Rai ist im Libanon eine wichtige Stimme. Die mutmaßlich von Israel geplanten Spreng-Angriffe von Pagern und Funkgeräten verurteilt er nun scharf. Völkerrechtsexperten halten sie teilweise für legitim.

Hunderte Verletzte nach Explosion im Libanon / © Marwan Naamani (dpa)
Hunderte Verletzte nach Explosion im Libanon / © Marwan Naamani ( dpa )

Der libanesische Kardinal Bechara Rai hat die Sprengstoff-Attacken gegen die Hisbollah-Miliz mit Tausenden Opfern verurteilt. 

Laut einem Bericht der libanesischen Nachrichtenagentur NNA prangerte das Oberhaupt der katholischen Maroniten in einer Erklärung am Donnerstag das "wahllose Töten" durch präparierte Kommunikationsgeräte sowie jede Gewalt gegen libanesische und palästinensische Zivilisten an. Der Kardinal sei über die Entwicklung tief besorgt.

Patriarch Bechara Rai / © Rudolf Wichert (KNA)
Patriarch Bechara Rai / © Rudolf Wichert ( KNA )

Durch die Explosionen von Pagern und Funkgeräten am Dienstag und Mittwoch starben im Libanon Dutzende Menschen, mehr als 3.000 wurden laut dem libanesischen Gesundheitsministerium teils schwer verletzt.

Die Hisbollah, aber auch internationale Beobachter machen Israel für die Explosionswelle verantwortlich. Von israelischer Seite gab es bisher keine Stellungnahme dazu. Die Vereinten Nationen warnten vor einer weiteren Eskalation des Krieges im Nahen Osten; der UNO-Sicherheitsrat berief am Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung ein.

Divergierende Beurteilung durch Experten

Über die Rechtmäßigkeit der mutmaßlich von Israel durchgeführten Angriffe, bei denen nach libanesischen Angaben auch Kinder starben, gehen die Meinungen von Völkerrechtsexperten auseinander. Israel könne geltend machen, dass es sich in einem bewaffneten Konflikt mit der Hisbollah befinde, sagte der Genfer Professor für Völkerrecht Marco Sassoli dem Schweizer Sender SRF.

Völkerbund: Idee von einem gemeinsamen "Völkerrecht" / © Roman Motizov (shutterstock)
Völkerbund: Idee von einem gemeinsamen "Völkerrecht" / © Roman Motizov ( shutterstock )

"Ich würde sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Zivilpersonen getroffen werden, bei dieser Vorgehensweise geringer ist, als wenn man eine Rakete auf ein legitimes Ziel schießt." 

Allerdings müsse schon zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten unterschieden werden, so Sassoli. Der iranische Botschafter etwa, den es offenbar auch getroffen habe, könne nicht als Kämpfer angesehen werden.

Andrew Clapham vom Genfer "Graduate Institute" wertete den Angriff hingegen als klaren Verstoß gegen internationales Recht. Er sagte laut dem ZDF, der Einsatz von Sprengfallen - also an sich harmlosen Objekten, die man zur Waffe gemacht habe - sei verboten.

Ähnlich äußerte sich im "Tagesspiegel" Elisabeth Hoffberger-Pippan vom Leibnitz-Insitut für Friedens- und Konfliktforschung Frankfurt. So sei Israel an das zweite Zusatzabkommen des Rahmenabkommens über die Nutzung konventioneller Waffen gebunden. Es verbietet versteckte Sprengsätze, die wie harmlose tragbare Geräte aussehen.

Ihre Kollegin Elvira Rosert von der Universität Hamburg verwies auf der Plattform X dagegen auf Ausnahmeregelungen. Sprengfallen dürften kein "unnötiges Leid" verursachen. Thomas Burri von der Universität St. Gallen äußerte sich in diese Richtung. In einem bewaffneten Konflikt seien feindliche Kämpfer und militärisch genutzte Kommunikationssysteme legale Ziele.

Der Libanon

Der Libanon ist geprägt durch das Nebeneinander zahlreicher Religionen. Mit etwa 30 Prozent hat die parlamentarische Demokratie den größten Anteil Christen in der Arabischen Welt. Die Muslime - Sunniten und Schiiten - machen inzwischen wohl mehr als 60 Prozent aus. Offiziell anerkannt sind 18 Religionsgemeinschaften, darunter die Minderheiten der Drusen und Alaviten.

Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva (shutterstock)
Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva ( shutterstock )
Quelle:
KNA