Das Vorgehen bringe Licht ins Dunkel und ermögliche Betroffenen, gehört zu werden, so der Vorsitzende der unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Aachen, Thomas Kron. Gleichzeitig äußerte er auch Bedenken.
Nicht ausreichend vorbereitet
Das Bistum habe sich nicht ausreichend auf die Folgen der Veröffentlichung vorbereitet, so Kron am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er rechnet nun mit vielen eingehenden Meldungen beim Bistum. Dabei bestehe das Risiko, dass es zu wenig Personal gebe, dies aufzufangen. Bei mangelhafter Betreuung seien die Betroffenen ein weiteres Mal die Leidtragenden.
Das Bistum hatte am Mittwoch zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch eine Liste mit Namen von 53 Tätern sowie mutmaßlichen Tätern veröffentlicht. Damit sollten weitere, bislang unbekannte Betroffene ermutigt werden, sich zu melden. Gemeinden, in denen mutmaßliche Täter früher arbeiteten, sind laut Bistum vorab informiert worden.
Verstorben und verurteilt
Voraussetzung für die Veröffentlichung der Namen war demnach, dass der jeweilige Beschuldigte schon mindestens zehn Jahre tot ist. Zudem seien die Betreffenden von staatlichen oder kirchlichen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden. Oder im jeweiligen Fall wurde der Antrag eines Betroffenen auf Anerkennung des Leids positiv beschieden.
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, begrüßte die Veröffentlichung. Sie sprach von einer Spannung zwischen Aufarbeitung und Datenschutz, die nur über klare Entscheidungen aufgelöst werden könne. "Damit dies gelingt, braucht es die Schritte der Verantwortungsübernahme wie jetzt in Aachen." Die Missbrauchsbeauftragte rief kirchliche, sportliche und weitere Institutionen dazu auf, ebenfalls die Nennung von Täternamen zu prüfen.
"Schaufensterpolitik"
Maria Mesrian, Theologin und Mitglied der Reformbewegung Maria 2.0, kritisierte in einem Gastbeitrag für das Portal kirche-und-leben.de die Nennung der Klarnamen. Dies sei "Schaufensterpolitik", solange Aachens Bischof Helmut Dieser als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz sich nicht für eine Kehrtwende in der Entschädigungspraxis und für die Beseitigung der systemischen Ursachen sexuellen Missbrauchs einsetze.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller kritisierte in der "Kölnischen Rundschau", das Bistum setze mit dem Vorgehen andere Bistümer unter Druck. Außerdem seien die Gemeinden im Bistum nicht ausreichend vorbereitet worden.
Uneingeschränkte Transparenz
Der Betroffenenrat im Bistum Aachen sieht in der Veröffentlichung der Liste einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs. Uneingeschränkte Transparenz sei die Wurzel der Aufarbeitung, so Pressesprecher Paul Leidner gegenüber KNA. Er sei froh, dass Bischof Dieser sich trotz datenschutzrechtlicher Bedenken für die Offenlegung der Namen entschieden habe.