Luzerner Theologe zum Wahlsieg Trumps

"Kirche in den USA zutiefst gespalten"

Dass der Populist Donald Trump neuer Präsident der USA ist, wollen viele nicht wahrhaben. Dr. Gregor Scherzinger ist Theologe am Institut für Sozialethik der Universität Luzern. Er verfolgte das Rennen um das Präsidentenamt in den USA intensiv.

Die USA nach der Trump-Wahl / © Alba Vigaray (dpa)
Die USA nach der Trump-Wahl / © Alba Vigaray ( dpa )

domradio.de: Der Albtraum vieler ist wahr geworden: Donald Trump wird neuer US-Präsident. Wie konnte das passieren?

Dr. Gregor Scherzinger (Theologe, Universität Luzern): Diese Frage stellen sich nach Bekanntwerden des Ergebnisses sehr vielen Menschen, ob in den USA oder auch im Ausland. Man hat sich zu fragen: Was wurde in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verpasst? Wo hätte man da gegensteuern können, um dieses Phänomen "Trump" zu stoppen? Es liegt ja nicht erst seit zwei Jahren auf dem Tisch, sondern hat seine Vorgeschichte. Die beginnt spätestens mit der Tea-Party während Obamas erster Amtszeit. Schon damals war es das Ziel, diese Bewegung, die zentrale Regierung zu stoppen, zu schrumpfen, Steuern zu senken. Schon diese Anhänger fanden sich vor allem unter den weißen Amerikanern. Die Hälfte von ihnen tarnt sich als Teil der christlich-konservativen Bewegung, der sogenannten "religious right". Schon damals war die Identität dieser Bewegung geprägt durch die Geschichte eines Verlustes, das weiße christliche Amerika gehe verloren. Die Freigabe von Abtreibung oder gleichgeschlechtlicher Ehe haben diese Geschichte in den Augen dieser Menschen bestätigt.

domradio.de: Trump verkörpert eine eigentlich auf dem absteigenden Ast befindliche Bevölkerungsgruppe, nämlich die der weißen Männer. Nicht mal die Hälfte der Wähler waren dieses Mal noch Weiße mit christlichem Hintergrund. Klingt das nicht ein bisschen nach verkehrter Welt?

Scherzinger: Ja, in der Tat. Man sprach vor vier Jahren bei Romneys Niederlage schon davon, dass diese "white christian strategy" nicht mehr zum Wahlerfolg verhelfen könne. Romney erreichte im Segment der weißen und meist christlichen Bevölkerung genau die Zahlen, die man für einen Sieg als notwendig erwartete. Doch er verlor gegen Obama. Außerdem war durch den Anstieg der nichtreligiösen Amerikaner genauso wie der Latinos und der "Black Amaricans" der Anteil weißer Christen an der Bevölkerung unter 50 Prozent gefallen. Und so prognostizierte man, dass allein diese Wählerschaft Trump nicht zum Sieg verhelfen könne. Doch er scheint es geschafft zu haben, genau diese Gruppe weißer, ländlicher Amerikaner aus der Arbeiterklasse noch stärker zu mobilisieren. Dieser Teil überstimmte den farbigeren, vielfältigeren Rest des Landes.

domradio.de: Uns im Westen erscheint der Wahlkampf über weite Strecken als eine wahre Schlammschlacht, die auch viele Wunden aufgerissen hat. Donald Trump erscheint nicht gerade als idealer Versöhner. Wie soll es jetzt weitergehen?

Scherzinger: Da liegt genau ein Grund für die Sprachlosigkeit und die Unvorstellbarkeit einer Präsidentschaft unter Trump. Mit ihm kommt eine Person ins Weiße Haus, die mit Intoleranz, Diffamierung und Spaltung Wahlkampf betrieben hat. Nach dem Versuch Obamas, dieses gespaltene Amerika zusammenzubringen, Brücken zu bilden, ist das nun der völlige Gegenentwurf. Und es bleibt natürlich ungewiss, ob Trump durch die Zwänge des Amtes zumindest in seiner Sprache gemäßigt wird, seine Hassrhetorik ablegen kann, die notwendig war, um diese Stimmen zu holen. Ich denke, sein Verständnis von Macht hat stark autoritäre Züge und die Macht schien für ihn ein Selbstzweck zu sein, um nicht zuletzt sein eigenes Bedürfnis nach Anerkennung zu sättigen. Doch jetzt wird man sehen, ob das traditionelle Regierungssystem der USA, das aus dieser gegenseitigen Kontrolle der Institutionen besteht, auch hier besänftigen kann. Allerdings muss man auch sagen, dass der Wahlausgang eine republikanische Mehrheit im Kongress beschert hat. Auch die Besetzung eines Richters im "Supreme Court" (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Anm. d. Red.) steht aus und wird ihm zuteil werden. Das wird dabei nicht gerade helfen.

domradio.de: Konservative Katholiken hatten im Vorfeld zu Trump tendiert, vor allem wegen seiner positiven Haltung beim Lebensschutz. Wie wollen die jetzt damit klarkommen, dass ihr neuer Präsident ein unverhohlener Rassist ist, wie es scheint? Zumindest will er eine Mauer an der Grenze zu Mexiko hochziehen.

Scherzinger: Der Katholizismus hat selbst einen langen Weg hinter sich, um in dem protestantisch geprägten Amerika aufgenommen zu werden. Beispielsweise wurde ein Verbot gegen Gebete in Schulen in den 60er-Jahren noch als Sieg gegen den Katholizismus und dessen Forderung nach Unterstützung seiner Schulen verstanden. Die Lage hat sich heute gedreht. Große Teile der katholischen Welt verstehen sich ebenso unter Bedrängnis einer säkularistischen Ideologie, in der die Religion an den Rand der Gesellschaft oder ganz aus der Gesellschaft verbannt wird. Das Recht auf Religionsfreiheit wird auch von der katholischen Kirche als starkes Mittel verstanden, um für die eigenen Moralvorstellungen Politik zu betreiben. Teilweise wird man jubeln, dass mit Trump wieder die Möglichkeit besteht, das Lebensrecht allgemein durchzusetzen. Allerdings verändert sich gerade die katholische Kirche auch in den USA rasant. Sie wird immer lateinamerikanischer, weil sich die jungen Generationen vor allem weißer Katholiken aus ihr verabschieden. Und so muss man sagen, dass letztlich auch für die Kirche in den USA das zählt, was für das ganze Land zählt: sie ist zu tiefst gespalten.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR