domradio.de: Wie war Ihre erste Reaktion auf das Ergebnis?
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (Jesuitenpater und Philosophieprofessor): Es war klar, dass es sehr, sehr knapp wird, dass es ganz knapp wird. Dass Trump jetzt so deutlich gewinnt, damit hat wohl kaum jemand gerechnet, ich glaube auch er selber nicht. Es zeigt, dass er eine ganz wichtige Strömung in der amerikanischen Gesellschaft getroffen hat.
domradio.de: Dabei hat er ja viele Wählergruppen vor den Kopf gestoßen, die Hispanics, die Schwarzen, die Frauen. Wie konnte das jetzt passieren, wie konnte er gewinnen?
Brüntrup: Es liegt daran, dass es - ähnlich, wie wir es hier kennen mit der AfD oder die Briten mit dem Brexit -, eine ganz große Gruppe gibt, eine Mehrheit mittlerweile in den USA, die sagt: Das Establishment, und wie es uns regiert hat in den letzten Jahrzehnten, hat uns benachteiligt. Die Mittelklasse schrumpft und schrumpft, die Leute verlieren ihre sicheren Jobs in der Stahlindustrie. Jobs gehen nach China oder nach Asien. Die Leute haben gesagt: Die Clinton sitzt da oben mit den großen Industriebossen und der Wall Street zusammen, aber die vertritt nicht mehr uns, das Volk. Die Demokratische Partei, die eigentlich ursprünglich eine Partei der Arbeiter war, hat einen erheblichen Teil der Arbeiterschaft verloren. Das hat ihr das Genick gebrochen.
domradio.de: Viele konservative Katholiken sahen in Trump wegen seiner Haltung zum Lebensschutz das kleinere Übel. Andererseits steht Trump mit seinem unverhohlen zur Schau getragenen Rassismus und seiner Anti-Migranten-Politik im krassen Gegensatz zu dem, was etwa Papst Franziskus sagt. Was bedeutet seine Wahl nun für die Katholiken im Land?
Brüntrup: Die Katholiken hatten sich mit deutlicher Mehrheit diesmal in den Prognosen für Clinton ausgesprochen, obwohl Frau Clinton Abtreibung buchstäblich bis zum letzten Tag des neunten Monats befürwortet, was man sich in Deutschland gar nicht vorstellen kann. Es ist einfach horrend, welche Vorstellungen sie beim Thema Lebensschutz hat. Trotzdem sah man die Gefahr von Trump so groß, dass in Umfragen zumindestens die meisten Katholiken gegen Trump waren. Ich glaube, es war ein bisschen ein Effekt, dass Trump nicht der Kandidat des Establishments war, dass in den Umfragen viele, die klammheimlich für ihn waren, es nicht zugegeben haben. In der Einsamkeit der Wahlkabine haben sie dann aber trotzdem ihr Kreuz bei ihm gemacht. Vielleicht waren das auch mehr Katholiken, als wir vorher gedacht hatten.