Freiburgs Erzbischof Stephan Burger fordert angesichts des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche schnelles Handeln. Die Aufarbeitung müsse rasch vorangehen, sonst verliere die Kirche an Glaubwürdigkeit. "Wir werden daran gemessen, wie konsequent und auch zeitnah wir all das aufarbeiten, was bisher liegen gelassen wurde", sagte Burger der Deutschen Presse-Agentur in Freiburg. "Dieser Prozess darf sich nicht in die Länge ziehen, die nötigen Konsequenzen für die Zukunft dürfen nicht aufgeschoben werden." Dies sei die Kirche auch den Missbrauchsopfern schuldig.
Burger sagte, die Kirche müsse sich verändern, um Missbrauch und vor allem Machtmissbrauch nicht weiter zu begünstigen. "Da geht es auch um Strukturen, da geht es auch um Macht und Kontrolle", sagte der Erzbischof: "Nur wenn wir konsequent und transparent an solchen Schwächen arbeiten, haben wir verdient, dass die Menschen uns wieder oder weiterhin vertrauen."
Bischof Wilmer will klaren Kurs bei Aufarbeitung von Missbrauch
Ebenso fordert der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer einen "klaren Kurs" bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. "Es geht um Gerechtigkeit, nicht um den Ruf der Kirche. Das wäre gewissermaßen nur ein Kollateralnutzen", sagte Wilmer der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" am Samstag. Bei der christlichen Botschaft stehe "der Mensch im Mittelpunkt, nicht eine Institution". Die Missbrauchsfälle erschütterten heute die Kirche weltweit "bis ins Mark". Wilmer sagte: "Die Kirche ist eben nicht nur heilig, sie ist auch sündig, und sie bedarf der steten Umkehr."
Auf die Frage, ob nicht auch der Zölibat schuld an den Verbrechen sei, sagte der Bischof, er sei zwar dafür, dass über den Zölibat diskutiert werde, denke aber nicht, "dass dies kausal zusammenhängt".
Die "Fehler im System" lägen anderswo. "Beim Missbrauch geht es um Macht. Wir brauchen eine Gewaltenteilung in der Kirche; Macht darf nicht absolut sein." Schon in den Priesterseminaren müssen genau hingeschaut werden, "wen sie aufnehmen und wie sie ausbilden". Der Missbrauch sei nur deshalb so lange möglich gewesen, weil viele Menschen geschwiegen und weggesehen hätten. "Inzwischen ist der Pegel der Achtsamkeit gestiegen, und das ist gut so."
Wilmer hatte kürzlich seinen Vorvorgänger Josef Homeyer (1983-2004) im Umgang mit Missbrauchsfällen kritisiert. In der Zeitung sagte er, dass er Homeyer nach wie vor für einen "großen Bischof" halte. "Im Umgang mit mutmaßlichen Missbrauchstätern allerdings hat er nicht konsequent genug gehandelt. Das ist nicht hinnehmbar." Einige Menschen seien irritiert gewesen, weil er selbst Namen genannt und drastische Worte gewählt habe, so Wilmer. "Ich glaube aber, Bischof Josef hätte ebenso gehandelt, wenn er heute an meiner Stelle wäre."
Man könne Fälle von sexualisierter Gewalt "nicht einfach abtun oder sagen, dass diese eben aus ihrer Zeit heraus beurteilt werden müssen", betonte Wilmer. "Was damals Unrecht war, ist auch heute Unrecht. Es geht um schwere Verbrechen, die oft unter den Teppich gekehrt wurden." Forderungen, die Gebeine von Bischof Heinrich Maria Janssen (1957-1982) aus der Bischofsgruft im Dom zu entfernen, erteilte Wilmer eine Absage: "Tote soll man ruhen lassen." Nötig sei aber ein "ganz neuer Umgang mit sexualisierter Gewalt". Janssen wird sexueller Missbrauch vorgeworfen.
Erzbischof Koch: Missbrauchsstudie hat uns wachgerüttelt
Auch Erzbischof Heiner Koch hat sich in der "Märkischen Oderzeitung" zum Missbrauchsskandal betroffen gezeigt. "Diese Studie hat uns wachgerüttelt". "Gerade an Weihnachten, wo wir uns doch daran erinnern, dass Gott als Kind auf die Welt kommt, ist der Gedanke daran, dass Kinder, die uns anvertraut wurden, von Priestern missbraucht wurden, besonders unerträglich."
Das Erzbistum Berlin sei bereits seit 2010 und dem Bekanntwerden der Fälle am Canisius-Kolleg mit der Aufarbeitung beschäftigt. "Aber wir sind weiter dabei zu suchen, was wir noch tun müssen." Kürzlich habe man alle Seelsorgerinnen und Seelsorger des Bistums eingeladen "und uns einen halben Tag lang mit diesem Thema beschäftigt", so Koch. Die Themen Missbrauch und Prävention müssten im Gespräch bleiben und jede Vertuschung verhindert werden.
Für die katholische Kirche in Deutschland hatten Wissenschaftler Ende September eine Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche bei der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda vorgestellt. In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 fand das Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute. Die Experten gehen von weiteren Fällen aus, die nicht in den Akten erfasst sind.
Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker sagte dem "Westfalen-Blatt" (Montag): "Für die Kirche, der ich mich verschrieben habe, schäme ich mich, dass solche Verbrechen bagatellisiert und Opfer nicht ernst genommen worden sind." Als Institution habe man versucht, "möglichst unbeschadet aus der Sache herauszukommen".