Als der rheinische Maurersohn und Pastoraltheologe Peter Kohlgraf am 27. August 2017 als neuer Bischof von Mainz ins Amt eingeführt wurde, trat er ein gewaltiges Erbe an: Sein Vorgänger Kardinal Karl Lehmann war fast 33 Jahre Bischof der traditionsreichen Diözese, in der Bevölkerung sehr beliebt und als Kirchenführer hochgeschätzt.
Von Kardinal Lehmann geweiht
Der Kardinal hatte bei seinem letzten öffentlichen Auftritt seinen Nachfolger noch selbst geweiht, bevor Lehmann am 11. März 2018 im Alter von 81 Jahren starb. Kohlgraf gab anlässlich des Todes von Lehmann dann auch einen Einblick in seine eigene Seelenlage. "Ich persönlich verdanke ihm viel", sagte er, in vielen Begegnungen habe er Lehmann "als väterlichen Begleiter" erlebt.
Doch der in Köln geborene Kohlgraf nahm sich zugleich auch den Druck, unbedingt dem Format Lehmanns nacheifern zu müssen. "Ein Bischof bleibt ein normaler Mensch, der Hilfe und Weggefährten braucht", sagte er zu Beginn seiner Amtszeit. Und ein Bischof sei auch "nicht heiliger" als andere Christen. Die rheinische Lebensart mache es ihm auch in Mainz leicht: "Vor Fassenacht und Fußball ist mir grundsätzlich nicht bange", bekannte der 51-Jährige.
Erstmal die Diözese kennenlernen
Während Lehmann als Bischofskonferenz-Vorsitzender viel außerhalb seines Bistums unterwegs war, setzte sich Kohlgraf zunächst das Ziel, seine Diözese kennenzulernen. Seit Januar 2018 besuchte er alle 20 Dekanate, wobei er sich ungekünstelt und zugänglich zeigte. In Mainz war Kohlgraf nicht selten auch auf dem Fahrrad zu sehen.
"Mein erstes Jahr als Bischof war natürlich voller neuer Eindrücke und Erfahrungen", bilanzierte Kohlgraf jetzt auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Vor allem bei der Dekanats-Rundreise habe er "viel gelernt und in zahlreichen Begegnungen erfahren, wie vor Ort Kirche und Christ-Sein gelebt wird". Er fügte hinzu: "Ich freue mich auf den gemeinsamen Weg, der vor uns liegt, spüre aber auch die Verantwortung, die mit dem Bischofsamt verbunden ist."
Kein Platz für Lieblosigkeiten
Kohlgraf warb beharrlich für eine "menschenfreundliche" Kirche, die ein Raum sein müsse, in dem "liebloses Urteil und Verurteilung" keinen Platz hätten. Und er zeigte sich als spiritueller Mensch. "Es gibt für mich keinen glaubwürdigeren Menschen als Jesus, den ich auch als Sohn Gottes bekenne. Da ist nichts falsch, nichts oberflächlich, nichts gespielt", sagte er. Es lasse ihn "nicht kalt, wenn andere lieblos über Christus, die Kirche und meinen Glauben reden, wenn christliche Symbole oder Überzeugungen verächtlich gemacht werden".
Den Kreuz-Erlass der bayerischen Landesregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hielt der Mainzer Bischof dennoch für wenig hilfreich. "Ich sehe jetzt die Folgen von Söders Beschluss", sagte Kohlgraf in einem Zeitungsinterview Mitte Mai. "Mich erreichen ausschließlich Reaktionen von der Art, 'Gottseidank zeigt's mal einer diesen Muslimen und den Gottlosen'. Und das ist genau der Punkt, warum ich mich gegen das Vorgehen in Bayern wehre."
"Persönlich getroffen" vom Kommunionstreit
Im Kommunionstreit gehörte Kohlgraf der Dreiviertel-Mehrheit in der Bischofskonferenz an, die sich darauf geeinigt hatte, dass evangelische Ehepartner im Einzelfall die Kommunion empfangen können. Als sieben Bischöfe daraufhin den Vatikan um Klarstellung baten, ob eine solche Regelung von einer einzelnen Bischofskonferenz beschlossen werden könne, zeigte sich Kohlgraf auch "persönlich getroffen". Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte er: "Wir müssen heraus aus dieser Logik der Unterstellung und des Verdachts, die so tut, als wäre die Mehrheitsposition lehramtlich nicht mehr in der Spur."
Kohlgraf kann also auch deutlich werden. Andererseits ist er keiner, der in jeder politischen Debatte mitreden muss. Manchmal merkt er auch, dass Themen von den Medien vorgegeben werden, die er selbst nicht unbedingt bedient hätte. "Als ich hier Bischof wurde, wollten alle meine neue Wohnung sehen", berichtete er in einem "Tagespost"-Interview. "Ich war erstaunt, wie interessant so eine bischöfliche Wohnung ist. Hätte ich denen gesagt, ich erzähle euch an dem Morgen etwas über die Auferstehung von den Toten, wären wahrscheinlich weniger gekommen."