Mainzer Pfarrerin kritisiert AfD-Flyer mit Bild ihrer Kirche

"Müssen entschieden widersprechen"

Mitten im Europawahlkampf nutzt die AfD das Motiv der Mainzer Christuskirche in ihrem Flyer. Der Gemeinde gefällt das gar nicht, deshalb wird nun in Zusammenarbeit mit den Katholiken eine eigene Plakataktion gestartet.

Symbolbild Werbematerial der AfD neben einem Computer / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Werbematerial der AfD neben einem Computer / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Mainzer AfD hat im Europawahlkampf Flyer gedruckt, auf denen Ihre Kirche als Motiv genutzt wird. Wie haben Sie davon erfahren?

Mainzer Christuskirche im Sonnenuntergang / © Fabian Sommer (dpa)
Mainzer Christuskirche im Sonnenuntergang / © Fabian Sommer ( dpa )

Eva Lemaire (Pfarrerin an der evangelischen Mainzer Christuskirche): Wir sind auf diese Aktion aufmerksam geworden, weil Flyer in Briefkästen verteilt wurden, wo unsere Kirche drauf war. Ob die Flyer noch verteilt werden, das können wir nicht richtig nachprüfen. Die Reaktion vom Kreisvorsitzenden der AfD war: Sie werden es weiterhin einsetzen. Zudem gibt es in der Stadt auch noch Plakate mit dem Mainzer Dom, die haben wir auch noch entdeckt.

DOMRADIO.DE: Wo genau ist denn das Problem, wenn auf den AfD-Flyern Ihre Kirche zu sehen ist?

Lemaire: Wenn eine Partei wie die AfD, die völlig andere Forderungen und Ansichten vertritt, wie wir sie als evangelische Kirchengemeinde tun, dann möchten wir nicht, dass unser Bild der Christuskirche dafür instrumentalisiert wird. Die Christuskirche, so verstehen wir das, ist unser Gotteshaus. Ein Ort, an dem wir Gottesdienste feiern, wo Menschen kommen, um den Segen zu empfangen, zum Beten. Wir haben auch Konzerte und treffen uns dort. Es ist ein offener Ort, wo alle Menschen herkommen können und Schutz und Zuwendung suchen und finden sollen. Unabhängig davon, wo sie herkommen, wer sie sind. 

Pfarrerin Eva Lemaire

"Wenn die Kirche für Inhalte der AfD instrumentalisiert wird, dann müssen wir da entschieden widersprechen."

Das ist in unserem christlichen Menschenbild einfach so, dass alle Menschen die gleiche Würde haben. Und dafür setzen wir uns ein, für eine offene Gesellschaft und Vielfalt. Und das dafür steht auch unsere Kirche. Wenn die Kirche für Inhalte der AfD instrumentalisiert wird, dann müssen wir da entschieden widersprechen. 

DOMRADIO.DE: Waren Sie sich denn in der Kirchengemeinde einig, dass Sie gegen die Flyer vorgehen wollen? 

Lemaire: Ja, wir hatten letzte Woche Kirchenvorstandssitzung und waren alle gleichermaßen geschockt darüber, als wir gesehen haben, dass die Christuskirche auf Flyern und auch in Social Media benutzt wird mit dem Hashtag #Heimat. 

Wir haben uns relativ schnell darauf geeinigt, dass wir uns da in irgendeiner Form positionieren wollen. Wir haben überlegt, wie wir das am besten machen und sind als erstes direkt an die AfD herangetreten. Wir forderten, dass sie die Flyer in Zukunft nicht mehr verwenden und das Bild der Christuskirche nicht mehr für ihre politischen Ansichten im Wahlkampf nutzen. 

DOMRADIO.DE: Wie hat die AfD darauf reagiert?

Lemaire: Von der AfD gab es keine direkte Reaktion. Es gibt ein Statement auf der Homepage, die besagt, dass wir uns nicht um politische Dinge kümmern sollen und sie das Motiv weiterhin benutzen werden. 

DOMRADIO.DE: Und sonstige Reaktionen? Das ist ja ein Thema, das deutschlandweit polarisiert. Hat es da Reaktionen gegeben? 

Lemaire: Ja, wir hatten erfreulicherweise überwiegend positive Reaktionen. Natürlich gab es auch einige erwartbare Emails mit Kritik oder sogenannte Hassmails. Aber im Großen und Ganzen haben wir eine sehr positive Rückmeldung bekommen. Zum einen aus unserer eigenen Kirchengemeinde, die gesagt haben: "Wie gut, dass ihr das sagt. Wir haben uns schon gewundert, dass auf den Flyern der AfD in unserem Briefkasten eure Kirche drauf ist." Es gab aber auch Reaktionen von Menschen, die sozusagen die Kirche eher von außen betrachten. Die sagen: "Vielen Dank, dass ihr so klar als Kirche Stellung bezieht in dieser Sache." 

Mainzer Dom / © MLIN (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Gibt es denn auch einen Schulterschluss mit Ihrem katholischen Kollegen? Der Mainzer Domdekan Henning Priesel hat sich ja auch gegen eine Verwendung von Kirchen als Hintergrundbilder für Parolen der Ausgrenzung ausgesprochen. Wie geht es jetzt gemeinsam weiter mit Ihnen? 

Lemaire: Praktisch parallel zu unserem Brief gab es die Initiative von unserem evangelischen Dekan Andreas Klodt, der sich gemeinsam mit dem Domdekan relativ schnell einig war, dass man sich gegen diese Aktion der AfD, wo Dom und Christuskirche verwendet werden, wenden soll. Wir haben ganz schnell den Weg gefunden, eine eigene Plakataktion zu starten, wo drauf steht, dass wir Kirchen für Toleranz und Vielfalt stehen. Da haben wir jetzt sehr schnell gemeinsam zusammengearbeitet. Und deshalb werden diese Plakate jetzt in allen Kirchengemeinden verteilt in diesen Tagen. 

Das Interview führte Heike Sicconi.

Pfarrerin Eva Lemaire und Dekan Andreas Klodt / © Evangelisches Dekanat Mainz
Pfarrerin Eva Lemaire und Dekan Andreas Klodt / © Evangelisches Dekanat Mainz

 

Quelle:
DR