Das Engagement der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer ist ungebrochen. Damit aus der spontanen Hilfe langfristige Unterstützung wird, hat der Malteser Hilfsdienst das Projekt Integrationslotsen ins Leben gerufen: Ein Ehrenamtlicher geht eine Patenschaft mit einem Flüchtling oder einer Flüchtlingsfamilie ein und hilft, in Deutschland anzukommen und den Alltag zu gestalten. Zudem gibt es etwa Bewerbungs-Workshops. An rund 60 Malteser-Standorten sind bereits Lotsen im Einsatz, bis Ende 2016 sollen es 75 sein. Darunter auch in der Notunterkunft in Berlin-Neukölln.
Vielen fehlt ein soziales Umfeld
"Schön wäre es, wenn sich Ehrenamtlicher und Flüchtling vertrauen und es normal wird, sich gegenseitig zu Geburtstags- und Familienfeiern einzuladen", sagt die Koordinatorin der ehrenamtlichen Integrationsdienste in Neukölln, Florinda Brands. Rund 550 Flüchtlinge leben dort in der Malteser-Unterkunft, einige bereits seit mehreren Monaten. "Was vielen fehlt, ist ein soziales Umfeld außerhalb der Notunterkunft", berichtet Brands. Integrationslotse und Flüchtling sollen sich auf Augenhöhe begegnen. "Uns ist wichtig, dass der einzelne Mensch im Vordergrund steht."
Damit Schützling und Lotse möglichst viele Gemeinsamkeiten haben, macht Brands gerade eine Bestandsaufnahme. "Wir fragen die Geflüchteten, welche Bildungs- und Berufsabschlüsse, Hobbys und Sprachkenntnisse sie haben." Ähnliche Fragen wird sie auch interessierten Ehrenamtlichen stellen. "Es soll so einfach wie möglich werden, die Freizeit gemeinsam gestalten zu können."
Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden angestrebt
Für Brands ist die Motivation der interessierten Helfer besonders wichtig. "Für die Arbeit als Integrationslotse braucht man Geduld, Einfühlungsvermögen und einen gewissen Grad an Verbindlichkeit." Zuerst will sie die rund 40 bereits jetzt aktiven Ehrenamtlichen in der Notunterkunft fragen, ob sie Integrationslotsen werden möchten. "Wir wollen aber auch mit Kirchengemeinden und anderen Initiativen zusammenarbeiten." Bis Ende diesen Jahres soll es die ersten Patenschaften geben.
Sarah Adolph koordiniert die Integrationsdienste der Malteser bundesweit. "Die Teilnehmer bekommen in einer Schulung Infos zu interkultureller Kommunikation, Ehrenamtsmanagement und der Situation der Geflüchteten", erklärt sie. Thematisiert werden auch die Grenzen des Engagements: Rechtliche Auskünfte darf der Integrationslotse aus juristischen Gründen nicht geben. "Dazu ist er nicht qualifiziert, so dass wir diese Aufgaben den dafür spezialisierten Verbänden überlassen."
Lotsen-Stammtisch geplant
Die Referentin für Flüchtlinge bei der Bundespsychotherapeutenkammer, Theresa Unger, begrüßt die Einführung. Ehrenamtliche sollten etwa darauf vorbereitet sein, wenn ein Flüchtling frühere Gefühlszustände in sogenannten Flashbacks wieder erlebt. "Traumatisierte Flüchtlinge können verängstigt oder leicht reizbar sein." Es sei wichtig, dass Ehrenamtliche dies als Folge der Traumatisierung verstünden, und nicht als Abwertung ihrer Arbeit.
Brands steht den Integrationslotsen als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Zudem möchte sie einen Lotsen-Stammtisch einrichten.
Psychotherapeutin Unger sieht die Angebote positiv. "Wenn ein Ehrenamtlicher viel und intensiv Zeit mit traumatisierten Flüchtlingen verbringt, kann es zu Überforderung und psychischen Belastungen kommen." Bei den Treffen bekämen die Helfer Unterstützung und erführen, wie andere, die sich in ähnlichen Situationen befänden, damit umgingen.
Zwei bis drei Stunden pro Woche Zeit mitbringen
Jeder Interessierte kann sich bei den Maltesern als Integrationslotse bewerben. Adolph rät: "Der Ehrenamtliche sollte etwa zwei bis drei Stunden pro Woche Zeit haben, um mit seinem Paten Fragen zu klären oder Ausflüge zu unternehmen." Gerade zu Beginn der Patenschaft sei der Kontakt noch intensiver. Zudem sollten die Treffen der Ehrenamtlichen besucht werden.
Auch Brands sagt: "Der Lotse muss hohe soziale Kompetenz mitbringen." Die Geflüchteten sollen sich nicht an Personen gewöhnen müssen, die nach kurzer Zeit wieder weg sind. "Uns ist ein intensives, langfristiges und vertrauensvolles Verhältnis wichtiger, als dass wir möglichst viele Patenschaften vermitteln können."