DOMRADIO.DE: Wer ist besonders auf Ihr Angebot angewiesen?
Andrea Ferger-Heiter (Stadt-Geschäftsführerin der Malteser in Köln): Das ist tatsächlich eine sehr gemischte Gruppe. Wir haben Patienten aus der EU, aus den ärmeren Ländern der EU, dann Menschen aus dem übrigen Europa, sie haben im letzten Jahr durch den Ukraine-Krieg eine größere Zahl ausgemacht. Dann kommen Menschen aus Asien zu uns, zum Beispiel Vietnamesen, die hier zum Teil illegal arbeiten. Und dann kommen die deutschen Patienten.
Wir hatten im letzten Jahr 1054 Patienten bei uns und davon waren zum Beispiel 111 Deutsche, aus Asien kamen 119, also etwas mehr. Wir haben insgesamt 2340 Behandlungen durchgeführt. Daran hören Sie schon, dass einige doch zweimal kommen müssen.
DOMRADIO.DE: Warum haben zum Beispiel die Deutschen keine Krankenversicherung?
Ferger-Heiter: Das hat unterschiedliche Gründe. Ein großer Teil der Patienten war früher privat versichert, dann konnten sie die Beiträge nicht mehr bezahlen und haben ihre Versicherung verloren. Auch Solo-Selbstständige oder Menschen, die ihren Job verloren haben, konnten die andere Versicherung dann nicht mehr bezahlen. Wir haben auch wohnungslose Patienten, zum Beispiel in der Zahnarzt-Sprechstunde.
Wir haben eine Sprechstunde für Erwachsene und eine für Kinder und zweimal in der Woche haben wir eine Zahnarzt-Sprechstunde, also insgesamt vier in der Woche.
DOMRADIO.DE: Wie läuft ein Gang zum Arzt oder zur Ärztin bei der "Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung" ab?
Ferger-Heiter: Wir haben eine ganz offene Sprechstunde. Das heißt, es gibt feste Zeiten in jeder Woche. Wir haben nur ganz wenige Tage im Jahr geschlossen. Die Praxis ist sozusagen immer da zu diesen Sprechzeiten. Es sind dann Ärzte vor Ort und jeder, der nicht krankenversichert ist, aber einen Bedarf hat, kann kommen.
Oft kommen die Patienten erst sehr spät, weil sie sich nicht trauen zum Arzt zu gehen. Das heißt, dann ist die Erkrankung oft auch schon sehr weit fortgeschritten.
DOMRADIO.DE: Von der Lebensmittelausgabe "Die Tafeln" hören wir häufig, dass es den Menschen sehr unangenehm ist, sich dort anzustellen. Geht es Ihnen bei den Maltesern und Ihrem Angebot ähnlich?
Ferger-Heiter: Ja, genau. Die Situation für die Patienten ist oft sehr schwierig. Sie schämen sich, es ist ihnen unangenehm. Aber das Team fängt das gut auf. Die Ärzte und Helferinnen berichten mir immer wieder, wie dankbar die Patienten danach für die angenehme Behandlung sind.
Sie ist auch anonym, sie ist kostenfrei und jeder kann kommen, es wird auch jeder behandelt. Wenn wir donnerstags die Erwachsenen-Sprechstunde haben, werden alle behandelt, die da sind. Auch wenn wir vorher nie wissen, wie viele Patienten kommen. Wir hatten in den letzten Wochen und Monaten an diesen Donnerstagen jeweils bis zu 30 Patienten und alle wurden drangenommen.
DOMRADIO.DE: Wer als Kassenpatient einen Facharzt aufsucht, hat zum Teil mehrere Monate Wartezeit, zum Beispiel beim Hautarzt. Und bei Ihnen kommt man einfach so dran?
Ferger-Heiter: Ja, man kommt dran. Unser Team umfasst insgesamt 45 Personen, davon sind die allermeisten Ärzte, Ärzte verschiedener Fachrichtungen, die alle ehrenamtlich tätig sind. An so einem Donnerstag sind in der Regel drei Ärzte da, ein Internist, ein Chirurg oder eine Chirurgin und auch immer ein Hautarzt. Ein Hautarzt ist in dieser Sprechstunde auch wichtig, weil viele der Patienten auch mit Hautproblemen kommen.
DOMRADIO.DE: Warum machen die Ärztinnen und Ärzte das?
Ferger-Heiter: Ein Teil der Ärzte ist im Ruhestand, zum Teil frisch im Ruhestand. Sie wollen gerne noch weiter tätig sein. Es gibt auch Ärzte, die in Teilzeit oder in Schichtarbeit in Krankenhäusern arbeiten, die es aber einfach sehr wichtig finden zu helfen, aus innerer Überzeugung heraus.
Es handelt sich um ein super nettes, engagiertes Team und die Ärzte schätzen diesen Austausch untereinander sehr. Die meisten kommen einmal im Monat. Die ärztliche Leitung, einer von beiden, kommt sogar jeden Donnerstag. Die Zahnärzte teilen sich das auf zwei Tage auf. Sie alle machen das mit voller Überzeugung, weil sie helfen wollen und weil sie sehen, dass diese Menschen keine andere Versorgung haben. Außerdem erhält die "Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung" in Köln keinerlei staatliche oder städtische Zuschüsse, sondern finanziert sich ausschließlich über Stiftungsgelder und Spenden.
Das Interview führte Tobias Fricke.