DOMRADIO.DE: Warum ist die Einsamkeit an Weihnachten überhaupt ein Problem? Man sollte doch meinen, dass jeder irgendwen hat, zu dem er gehen kann.
Kerstin Fischer (Referentin für Soziales Ehrenamt bei den Maltesern im Erzbistum Köln): Das glaubt man vielleicht auch, aber das ist nicht unbedingt so. Es gibt schon sehr viele Menschen, die doch eher einsam leben, wobei alleine leben nicht gleich einsam ist.
Aber dieser Großfamilienverband, den es vielleicht früher mal gab, hat sich doch sehr aufgelöst. Die Kinder wohnen vielleicht weiter weg und haben ihre eigenen Familien. Es gibt nicht immer Zeit dafür, dass man sich trifft. Und dann sitzen viele Menschen alleine zu Hause.
DOMRADIO.DE: Ist an Weihnachten das Problem noch größer?
Fischer: Das ist richtig. Uns ist aufgefallen, dass die Menschen doch deutlich einsamer sind, seit es Corona gibt. Und da sind wir leider immer noch nicht ganz durch. Ich hoffe ja sehr, dass es mal ein Ende hat, aber es sind schon viele Menschen, die sehr einsam sind.
Wir haben als Malteser die Erfahrung gemacht, dass sich das Thema durch Corona verstärkt hat. Es gibt mehr Menschen, die nicht mehr raus können, die sich nicht raus trauen, die erkrankt sind, wo auch niemand zu Besuch hingehen mag oder kann; auch in Altenhilfe-Einrichtungen zum Beispiel.
Diese Menschen sind einfach sehr einsam. An solchen Feiertagen, wo man gerne mit der Familie etwas machen würde, trifft das nochmal besonders hart zu.
DOMRADIO.DE: Was raten Sie den Menschen, die die Feiertage alleine verbringen, wie es trotzdem ein schönes Fest werden kann?
Fischer: Wir als Malteser haben uns das Motto "Weil Nähe zählt" gesetzt. Das versuchen wir in ganz, ganz vielen Bereichen zu realisieren. Wir haben speziell auch durch Corona erfahren, dass es viele Möglichkeiten gibt, den Menschen nahe zu sein, die vielleicht nicht besucht werden können oder auch besucht werden wollen. Auch das gibt es ja.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten von der offiziellen Telefonseelsorge, die man in Krisensituationen kontaktieren kann. Aber auch wir bieten viele Möglichkeiten wie zum Beispiel Telefonbesuchsdienste, wo man einen Telefonpartner bekommt, mit dem man sich dann einfach austauschen kann, auch in der Weihnachtszeit telefonieren kann.
Wir haben Besuchsdienste, es gibt unterschiedlichste Angebote, sodass man nicht unbedingt einsam sein müsste. Man muss sich aber auch ein Herz fassen. Gerade in Corona-Zeiten haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Nachbarschaft auch deutlich enger zusammengerückt ist.
Wenn man sich dann mal das Herz fasst, beim Nachbarn zu klingeln, mal anzufragen, vielleicht stellt man sogar fest, er sitzt alleine da und traut sich nicht unbedingt, den ersten Kontakt aufzunehmen.
DOMRADIO.DE: Dass sie von den Maltesern Tipps gesammelt haben, zeigt ja, dass es da anscheinend einen Bedarf gibt. Haben Menschen tatsächlich bei Ihnen nach Tipps gefragt?
Fischer: Ja, das ist definitiv so. Wir versuchen mit allen Möglichkeiten Kontakte aufzunehmen, weil wir wissen, dass Menschen, die vereinsamt sind, eher weniger soziale Kontakte haben.
Wir haben schon festgestellt, wenn sie sich dann mal trauen, dann möchten sie auch gerne Kontakte haben – und die sind unterschiedlich gestrickt. Sei es telefonisch oder doch durch einen Besuchsdienst oder unsere Besuchsdienste mit Hund, die dann auch mal in einen Haushalt gehen können. Also, die Anfragen sind schon da.
DOMRADIO.DE: Tipps gegen die Einsamkeit an Weihnachten sind die eine Seite. Müsste man nicht auf der anderen Seite besser an die Ursachen von Einsamkeit ran, anstatt die Symptome zu bekämpfen?
Fischer: Auf jeden Fall. Das ist auch ein Punkt, den wir versuchen voranzutreiben, dass wir den Menschen, die jetzt in dieser Gruppe zwischen Arbeit und Ruhestand sind, schon die Möglichkeiten aufzeigen, welche Ehrenämter sie selbst aufnehmen können.
Da bieten wir Malteser die unterschiedlichsten Dinge an, wie aber auch andere Hilfsorganisationen, dass man hier sich ehrenamtlich engagiert, um dann einer eigenen Vereinsamung im zunehmenden Alter vorzubeugen.
DOMRADIO.DE: Wie kommt man an die Menschen heran, die sich bewusst zu Hause einigeln, obwohl es ihnen eigentlich nicht gut geht? Soll mandas dann respektieren oder lieber versuchen, die Person mit ins Boot zu holen und einzuladen?
Fischer: Es ist immer eine Frage, ob sich die Menschen wirklich einigeln oder ziehen sie sich nur zurück, weil sie vielleicht nicht die Traute haben. Wir haben jetzt versucht, ein ganz neues Projekt aufzubauen. Das nennt sich "Malteser Hausbesuche", wo wir Menschen proaktiv zu Hause besuchen und aufzeigen, was es für Möglichkeiten der sozialen Interaktion im nahen Umfeld gibt. Das funktioniert sehr gut. Das wird gerade bei uns in Bonn aufgebaut.
Aber wir haben noch zahlreiche andere Stadtniederlassungen in der Diözese. Auch da werden wir das versuchen anzubieten. Das heißt, wir müssen einmal gucken, ob sich die Menschen wirklich ganz aktiv zurückziehen, dass sie das gar nicht wollen oder haben sie einfach nicht die Möglichkeit.
Wer sich natürlich zurückziehen möchte und keine sozialen Kontakte wünscht, dann muss man es respektieren. Aber ich finde, man sollte es immer versuchen, auch wenn es nur ein einfaches Gespräch ist.
Das Interview führte Katharina Geiger.