"Ein Drittel der Menschen an unseren mobilen Gesundheitsstationen bittet um Beruhigungsmittel, um über die nächsten 24 Stunden zu kommen", erklärte der Landeskoordinator der Malteser, Clemens Mirbach, am Mittwoch. Der plötzliche, unvorhergesehene Verlust von Grundsicherheiten sei auf einen Schlag gekommen. In den kommenden Tagen würden die Malteser Fachleute aus Deutschland für die Trauma-Bearbeitung entsenden.
Rund 200 libanesische Malteser sowie Nothilfe-Experten von Malteser International seien bereits vor Ort im Einsatz, hieß es. "Viele Menschen möchten ihre Wohnung nicht verlassen, weil sie keine Fenster oder Türen mehr haben und jeder hineinkommen kann." Die Menschen fürchteten um ihr letztes Hab und Gut, erklärte Mirbach. Die Ehrenamtlichen würden Lebensmittel ausgeben und den Menschen in den zerstörten Wohnungen das Nötigste bringen.
Auf einmal war alles anders
Am Dienstag vergangener Woche war es auf dem Beiruter Hafengelände zu einer gewaltigen Detonation gekommen, deren zerstörerische Druckwelle über die gesamte Stadt fegte. Laut libanesischer Medien kamen mehr als 170 Menschen ums Leben, mehr als 6.000 wurden verletzt. Auch eine Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes wurde getötet. Den Berichten zufolge waren rund 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die seit sechs Jahren ungesichert im Hafen lagerten.
Die Diakonie Katastrophenhilfe befürchtet nach der verheerenden Explosion eine Hungersnot im Libanon. Die Not werde sich in den kommenden Monaten dramatisch verschärfen, insbesondere die Situation der über eine Million in dem Land lebenden syrischen Flüchtlinge, warnte das evangelische Hilfswerk am Mittwoch in Berlin. Die Zerstörung von Wohnungen und Getreidevorräten könnten zu einer Hungerkatastrophe führen. Schon vor der Katastrophe lebte mehr als die Hälfte der Menschen im Libanon in Armut.
Zudem breitet sich die Corona-Pandemie nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO und von Unicef im Libanon aus.
Zuletzt habe es innerhalb von 24 Stunden fast 300 bestätigte neue Fälle von Covid-19 gegeben, sagte der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tarik Jasarevic, am Dienstag in Genf. Unicef-Sprecherin Marixie Mercado fügte hinzu, das Land habe mit seinen knapp sieben Millionen Einwohnern somit eine der höchsten Raten von Corona-Neuansteckungen in der WHO-Region Östliches Mittelmeer.