Wie katholische Orden die Missbrauchsaufarbeitung regeln

"Man darf das nicht alles in einen Topf werfen"

Die Deutsche Ordensobernkonferenz hat mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung eine Vereinbarung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch abgeschlossen. Was bedeutet das für die Ordensgemeinschaften?

Schwester Katharina Kluitmann und Johannes-Wilhelm Rörig / © Matthias Jung (KNA)
Schwester Katharina Kluitmann und Johannes-Wilhelm Rörig / © Matthias Jung ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie haben mit Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs eine gemeinsame Erklärung zur verbindlichen Regelung für eine unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Ordensgemeinschaften unterzeichnet. Heißt unabhängig, dass Sie sich für die Aufarbeitung Hilfe von außen holen werden?

Sr. Katharina Kluitmann (Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz): Ja, genau das heißt unabhängig. Die Deutsche Ordensobernkonferenz gibt Rahmenregelungen vor, damit die Ordensgemeinschaften dann einen Rahmen haben, innerhalb dessen sie handeln können. Jetzt haben wir dazu einen weiteren "Mosaikstein" unterzeichnet. Das ist sozusagen der sechste Mosaikstein.

Zunächst mal gibt es ein Verfahren. Wenn sich ein Betroffener an eine Ordensgemeinschaft wenden möchte, gibt es unabhängige Ansprechpersonen, nämlich hoffentlich einen Mann und eine Frau, das ist zumindest der Plan. Dann gibt es Beratungsstellen, an die sich die Betroffenen wenden können, was von der Gemeinschaft gezahlt werden kann. Dann gibt es einen Beraterstab, der die Ordensgemeinschaft berät. Dann gibt es das ganze Thema Zahlungen in Anerkennung des Leids, was jetzt am 1. Januar noch einmal neu organisiert worden ist.

Dann gibt es als nächsten Baustein die Aufarbeitung, also die Frage, was ist, wenn es in einer Institution auch mehrere Betroffene gegeben hat? Was sind da die Taten? Was sind die Folgen für die Betroffenen? Was sind systemische Ursachen, dass die Taten passieren konnten, dass vertuscht wurde, dass nicht gut aufgeklärt wurde? Dafür braucht es die Personalakten. Das ist ein weiterer Baustein, dass die gut geführt werden.

Und als letztes und eigentlich als erstes gibt es dann natürlich auch die Prävention, damit Taten möglichst nicht vorkommen oder wenn sie vorkommen, möglichst schnell und gut ans Licht kommen.

DOMRADIO.DE: Was werden das denn für Experten sein, die gemeinsam mit den Orden Taten sexualisierter Gewalt aufklären sollen?

Sr. Katharina: Festgelegt haben wir, dass das Fachleute aus der Wissenschaft sind, also mit psychologischem, historischem, kirchenrechtlichen, juristischen Hintergrund, also aus der Justiz, aus der Fachpraxis. Aber die wichtigsten Experten sind immer die Betroffenen.

DOMRADIO.DE: Wie sollen denn die Missbrauchsopfer in den Prozess einbezogen werden?

Sr. Katharina: Der Clou an diesem Prozess besteht darin, wenn eine Gemeinschaft für sich als Gesamtgemeinschaft oder eine Gemeinschaft für eine Institution oder mehrere ähnliche Gemeinschaften wie Gemeinschaften, die alle Internate hatten oder lauter Abteien, die ähnlich strukturiert sind, gemeinsam so einen Prozess gehen, dann gibt es ein unabhängiges Aufarbeitungs-Team.

Das ist sozusagen die Ebene vor Ort. Da sind Betroffene eingebunden und die Fachleute interdisziplinär. Dann gibt es zusätzlich einen Ausschuss unabhängiger Aufarbeitung auf übergeordneter, also nationaler Ebene, der eine Art Controlling und Hilfestellung bietet.

DOMRADIO.DE: Sie schaffen mit der Erklärung verbindliche Rahmenbedingungen zur Aufarbeitung. Wie sollen die aussehen?

Sr. Katharina: Es soll so aussehen, dass es genau diese beiden Gremien gibt und dass dann vor Ort passend zu Taten, Folgen und systemischen Ursachen jeweils abgestimmt auf den Ort geforscht werden kann. Sie müssen in einem kontemplativen Kloster eben anders forschen als beispielsweise in einem Internat. Da sind andere Rahmenbedingungen. Man darf das nicht alles in einen Topf werfen.

Es geht um die Gemeinschaften, wo etwas zu erforschen ist. Was wir da tun, ist etwas, was sozusagen über das, wozu wir rechtlich verpflichtet sind, hinausgeht. Wenn es noch mehr Unabhängigkeit gäbe, würde uns das sehr freuen. Also wenn der Staat da mal aktiv würde, wäre uns das sehr recht.

Wir versuchen uns jetzt auch von außen Vorschläge zu holen, wer uns da unterstützen kann, welche Fachleute da geeignet sind. Wir machen das alles sehr öffentlich. Man kann auf orden.de alles nachlesen. Es wird Jahresberichte geben, auch vom Ausschuss unabhängiger Aufarbeitung und auch unsere Mitgliederbefragungen aus dem letzten Jahr kann man da sehen.

Wir bemühen uns um Transparenz, um Unabhängigkeit. Wir müssen aber aufpassen, dass diese Unabhängigkeit nicht so unabhängig ist, dass es dann heißt, dass wir uns da rausziehen. Das wollen wir nämlich auch nicht. Wir wollen es auch nicht "wegdelegieren". Wir müssen uns auch selber damit beschäftigen. Aber es muss unabhängig sein. Manchmal ist das ein ziemlicher Spagat. Sollte der Staat uns dann noch mehr helfen wollen, wären wir da nicht unfroh.

Das Interview führte Dagmar Peters.

 

Unterzeichnetes Dokument von Sr. Katharina und Johannes-Wilhelm Rörig / © Stefan Frohloff (UBSKM)
Unterzeichnetes Dokument von Sr. Katharina und Johannes-Wilhelm Rörig / © Stefan Frohloff ( UBSKM )

 

Sr. Katharina Kluitmann und Johannes-Wilhelm Rörig / © Stefan Frohloff (UBSKM)
Sr. Katharina Kluitmann und Johannes-Wilhelm Rörig / © Stefan Frohloff ( UBSKM )
Quelle:
DR
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