Stimmen die Umfragen, dann wird es am Sonntag in Chile noch keinen Sieger geben. Zwar geht der konservative Unternehmer und Milliardär Sebastian Pinera (67), der die Anden-Nation bereits von 2010 bis 2014 regierte, als Favorit ins Rennen. Ob er die notwendige absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erreicht, ist allerdings fraglich.
Sollte Pinera im ersten oder zweiten Wahlgang im Dezember gewinnen, wäre ein kurioses Wechselspiel perfekt. Pinera würde dann zum zweiten Mal auf Michelle Bachelet folgen, die Chile jeweils von 2006 bis 2010 sowie von 2014 bis dann 2018 regierte. Die chilenische Verfassung verbietet danach eine erneute Kandidatur der Politikerin.
Angespanntes Verhältnis mit indigener Minderheit
Sie wird aber in jedem Fall noch Papst Franziskus im Januar bei dessen Chile-Reise als Gastgeberin begrüßen, denn die Amtsübergabe erfolgt erst einige Wochen später. Egal wer auf Bachelet folgt, ein Problem wird auch über den Wahlkampf 2017 hinaus bestehen: Der Konflikt mit den Mapuche.
Seit Monaten ist die Lage in Chile wegen der Auseinandersetzungen mit der indigenen Minderheit angespannt. Vor allem kirchliche Einrichtungen waren immer wieder das Ziel von Brandanschlägen. Dahinter sollen radikale Mapuche stecken, die die katholische Kirche auf der Seite ihrer Unterdrücker wähnen.
Erst vor wenigen Tagen hatten vier vermummte Männer in der Unruheprovinz La Araucania einen Regionalbus gestoppt, den Fahrer verjagt und anschließend das Fahrzeug in Flammen aufgehen lassen. Zwei Bekennerschreiben am Tatort deuten auf die Täter hin: "Feuer für die Kirchen, Du bist nicht willkommen in La Araucania, Papst Franziskus" und "Freiheit für Daniel Melinao und die Mapuche-Gefangenen - Politiker raus" war auf den handgeschriebenen Zetteln zu lesen.
Pinera, der sich im Wahlkampf als Law-and-Order-Mann inszeniert, fordert die "komplette Wiederherstellung des Rechtsstaates". Zudem präsentierte er ein Sofort-Programm "Araucania 2.0" um, die Lage wieder in den Griff zu bekommen.
Keine klare Linie der Regierungschefin
Bachelet, die während ihrer Amtszeit in den Umfragen abstürzte, hat ihrerseits versucht, das Problem zu beenden. Mal gab die linksliberale Politikerin die Hardlinerin, die fest entschlossen gegen die Brandstifter vorgehen wollte, dann suchte sie das direkte Gespräch. "Wir werden die Gewalt bekämpfen. Wir werden Minderheiten nicht tolerieren, die den Dialog und die großen Anstrengungen nicht wertschätzen, die alle Akteure der südlichen Regionen unternehmen, um Entwicklung herbeizuführen und die Exklusion zu überwinden", sagte Bachelet noch vor wenigen Wochen nach einem neuen verheerenden Brandanschlag.
Erst wenige Wochen zuvor hatte sich Bachelet für das historische Unrecht entschuldigt, das den Mapuche in der jüngsten Geschichte widerfahren war, und zu einem Dialog eingeladen. Doch die Fronten bleiben verhärtet. Ob ausgerechnet der harte Kurs eines möglichen Wahlsiegers Pinera das Eis brechen kann, bleibt abzuwarten.
Die Mapuche sind die Ureinwohner im Süden von Chile und Argentinien. Nach der chilenischen Unabhängigkeit 1818 begann in den 1860er Jahren die Entrechtung: Einmarsch der Armee, Enteignung, Niedergang der eigenen Tradition und Sprache.
Erst seit einigen Jahren setzt eine Neubesinnung auf die eigene Kultur und Identität ein. Eine kleine Minderheit radikalisiert sich politisch. Die Mapuche zählen zum ärmsten und am wenigsten gebildeten Teil der Bevölkerung.
Kritik an Papstbesuch
Wie sehr die Chilenen das Thema beschäftigt, zeigt auch eine jüngste Umfrage des Radio-Senders "Cooperativa" und des Meinungsforschungsinstituts "Imaginaccion" zum anstehenden Besuch von Papst Franziskus.
Den mit Spannung erwarteten Besuch von Franziskus in der Unruheprovinz La Araucania sehen die Befragten kritisch. Rund 85 Prozent glauben, dass der Besuch des Papstes den Konflikt anheizen könnte, nur knapp 12 Prozent sind davon überzeugt, Franziskus' Präsenz könne helfen, die Krise zu entschärfen.
Am 17. Januar wird er in der Provinzhauptstadt Temuco erwartet. Dann steht Bachelets Nachfolger bereits fest. Umso gespannter wird die chilenische Öffentlichkeit als auch der neue Regierungschef auf die Worte des Papstes zum Mapuche-Konflikt warten.