Maronitische Bischofssynode wählt ihren 77. Patriarchen

Sorge um Politisierung

Die maronitische Bischofssynode hat mit ihrem Wahlverfahren zur Bestimmung eines Nachfolgers für den zurückgetretene Patriarchen Nasrallah Butrus Sfeir begonnen. Die Wahl des Oberhaupts der mit dem Vatikan unierten Ostkirche findet im Kloster Bkerke nördlich von Beirut statt. Die Bischöfe ziehen sich dazu für 15 Tage zu einem Konklave zurück. Der Wechsel an der Spitze der Maronitischen Kirche kommt in einer schwierigen Zeit.

 (DR)

An diesem milden Sonntagmorgen ist die Basilika "Unsere Liebe Frau vom Libanon" in Harissa, im Norden Beiruts gelegen, nur spärlich besetzt. Familien, Pfadfinder in blauen Uniformen, Nonnen und Kleriker verteilen sich auf die vielen Sitzreihen. Der zurückgetretene Patriarch der Maroniten, Nasrallah Butrus Sfeir, vollzieht eine seiner letzten Aufgaben im Patriarchengewand. Sfeir, der 90 Jahre alt ist und 25 Jahre an der Spitze der Maronitischen Kirche im Libanon stand, leitet den Gottesdienst zum Abschluss des Gedenkjahres zum 1600. Todestag des Nationalheiligen Maron, des Kirchenvaters der Maroniten.



Die Einschätzungen über die Zukunft der Maronitischen Kirche, die mit rund einer Million Mitgliedern zahlenmäßig stärkste christliche Gemeinschaft im Libanon, gehen auseinander. Die junge Celine, die mit ihrer Schwester zur Messe gekommen ist, sieht keinen Anlass für Veränderungen. "Alles soll so bleiben wie es ist", sagt die 23-Jährige. Der gleichaltrige Charbel, der auch politisch aktiv ist, meint dagegen, dass den jungen Leuten endlich mehr Mitsprache eingeräumt werden sollte. Der 60-jährige Roger sagt, dass die Zeit für eine Modernisierung gekommen sei.



Christen sind tief gespalten

Die Christen im Libanon sind politisch tief gespalten. Ungefähr die Hälfte ist Partner des Bündnisses des "14. März" mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Saad Hariri an der Spitze. Die andere Hälfte unterstützt die Bewegung des "8. März", eine Allianz zwischen dem ehemaligen General Aoun und der radikalislamischen Hisbollah.



Der bisherige Patriarch rief mit seinen politischen Äußerungen zugunsten des "14. März" immer wieder Kontroversen hervor, die auch in Kirchengemeinden für Unruhe sorgten. Hanna Dawud, Religionslehrer, erlebt die Schattenseiten der Politisierung in seiner täglichen

Arbeit: "Menschen beschweren sich über Priester, die in ihren Predigten oder bei Hausbesuchen nicht über Jesus sprechen, sondern sich über libanesische Politiker auslassen. Wenn sie erfahren, dass eine Familie das andere politische Lager unterstützt, dann gehen sie einfach nicht mehr hin und kümmern sich nicht mehr um sie."



In einer Umfrage der Tageszeitung "an-Nahar" wünscht sich die überwiegende Mehrheit der befragten Maroniten von dem neuen Patriarchen, dass er die Gemeinschaft einigen möge. Erwartet wird nicht eine unpolitische Kirche, sondern mehr Unabhängigkeit von politischen Strömungen.



Verjüngung und Modernisierung

Der Umgang mit Politik ist nur eine Herausforderung unter vielen, die auf den neuen Amtsinhaber warten. Die Kritik von Charbel und Roger, die eine Verjüngung und Modernisierung fordern, wird von vielen Kirchenmitgliedern geteilt. Pater Salim Dakkash, Dekan des Instituts für Religionswissenschaften an der Universität Saint-Joseph in Beirut, sieht die Zeit reif für eine Reform: "Zu lange waren alle Strukturen auf die Person des Patriarchen zugeschnitten." Das Patriarchenamt müsse dezentralisiert und in eine Institutionen umgewandelt werden, um die verschiedenen Gruppen der Gläubigen mehr einzubinden.



Vor allem eine größere Beteiligung von Frauen und jungen Menschen sei nötig, argumentiert Dekan Dakkash: "Ein Anfang könnte bei den Kirchengemeinden gemacht werden." Dakkash hält es für möglich, dass nicht nur die Verwaltung in die Hände von Laien gelegt werde, sondern diese auch mehr als bisher bei religiösen Fragen mitreden könnten:

"Es wird Zeit, dass die Rolle des Klerus zurückgedrängt wird."



Mit großer Erwartung schauen die Maroniten auf das künftige Engagement der Kirche, um die Auswanderung der Christen aus dem Libanon einzudämmen. Durchhalteparolen und Ermutigungen, in der Heimat zu verharren, reichten nicht aus. "Wir müssen viel aktiver als bisher werden und wirtschaftliche Anreize für christliche Libanesen schaffen, hier zu bleiben", empfiehlt Pater Dakkash.