Latino-Staaten beraten über Flüchtlinge aus Venezuela

Mehr Geld für humanitäre Hilfe nötig

Millionen Venezolaner sind derzeit auf der Flucht. Viele strömen in die Nachbarländer. Anlass für die Staat- und Regierungschefs elf südamerikanischer Staaten zu beraten, wie sie mit der Krise umgehen. Was ist dabei herausgekommen?

Flüchtlinge aus Venezuela / © Martin Mejia (dpa)
Flüchtlinge aus Venezuela / © Martin Mejia ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die bei diesem Treffen der Nachbarländer beschlossen wurden?

Reiner Wilhelm (Venezuela-Referent des Lateinamerikahilfswerks Adveniat): Es gab erst einmal eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. Man sieht, dass regelmäßig – quasi täglich – unheimlich viele Menschen die Grenzen überschreiten. Pro Tag kommen 300 Venezolaner neu in Bogotá an. Etwa 5.000 Menschen überschreiten die Grenze täglich in Richtung Kolumbien. Hinzu kommen noch mal mehrere tausend Menschen nach Brasilien.

Ecuador und Peru haben die Grenzen dichtgemacht, indem man den Venezolanern die Auflage gab, Pässe vorzuweisen, die es seit geraumer Zeit in Venezuela nicht mehr gibt. Denn es gibt kaum noch Papier und auch Hygieneartikel – wie zum Beispiel Toilettenpapier – sind inzwischen Mangelware.

Dieses Problem hat die Konferenz aufgefangen, indem man sagte, egal welches Dokument man vorlege, es werde anerkannt. Es müsse nur sicher sein, wer komme.

Ein anderes Thema, was besprochen worden ist, besagt, dass ein UN-Sonderbeauftragter nach Venezuela entsandt werden soll, um einfach mal zu schauen, was in dem Land wirklich los ist. Denn die Situation im Land ist derart schwierig, dass kaum noch gesicherte Informationen rauskommen.

Und es soll ein UN-Nothilfe-Fonds aufgelegt werden für die Länder, die Flüchtlinge aufnehmen.

DOMRADIO.DE: Die hauptsächliche Fluchtursache ist Venezuelas Präsident Maduro selbst. Er hat das Land in eine der tiefsten Krisen seiner Geschichte hinein manövriert. Gab es Beschlüsse, den politischen Druck auf ihn zu verstärken?

Wilhelm: Ich glaube, der Druck ist schon deswegen stark, weil sehr viele Flüchtlinge kommen. Das ist etwas, was Venezuela bis heute abgelehnt hat. Es gibt nämlich laut der staatlichen Meinung und laut Maduro überhaupt keine humanitäre Krise. Begründet wird dies damit, dass man diese Krise heraufbeschwört, um Venezuela in die Knie zu zwingen und militärisch zu intervenieren. Insofern versucht man da zu kontern.

Man hat aber intern gekontert – das wurde heute gemeldet – dass man eine Luftbrücke einrichten möchte, um die Menschen, die geflohen sind, wieder in das Land zurück zu nehmen. Aber das ist natürlich auch nur vordergründig.

DOMRADIO.DE: Hyperinflation und Versorgungsengpässe: Wieso hält sich Maduro trotzdem weiter so fest im Sattel? Wie lange kann das noch so weitergehen?

Wilhelm: Das ist eine gute Frage. Hätten Sie mich das vor einem Jahr gefragt, hätte ich ihnen gesagt, das kann nicht mehr lange weitergehen. Aber er hält sich einfach im Sattel. Die Frage ist, wer hat viel zu verlieren? Das sind er, sein Regime und vor allem die Militärs.

Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass Venezuela ein Land ist, das ein Durchgangsland für Drogen ist, wo Korruption immens groß ist und wo es für diejenigen, die an der Macht sind, etwas zu gewinnen gibt. Es ist einfach so, dass sie das Land wirklich ausquetschen wie eine reife Zitrone.

DOMRADIO.DE: Die Bischöfe Venezuelas haben in der Vergangenheit erstaunlich offen Position gegen Maduro und gegen die humanitäre Krise bezogen. Haben sie auch schon auf die jüngste Flüchtlingskrise reagiert?

Wilhelm: Im Moment nicht. Aber sie hatten vorher schon reagiert, indem sie sagten, diejenigen, die das Land so runterwirtschaften, sollten das Land verlassen. Sie sind zurzeit in Rom zum Ad-limina-Besuch. Ich werde sie Ende der Woche treffen und werde auch vor Ort mit den Bischöfen die nächsten Punkte besprechen. Sie wollen in jedem Fall dem Papst die aktuelle Situation mitteilen und schauen, wie die Reaktion der Kirche auf internationaler Ebene ausfallen könnte.

DOMRADIO.DE: Wie unterstützt denn Adveniat als Lateinamerika-Hilfswerk die Menschen in Venezuela?

Wilhelm: Wir leisten im Moment nur noch humanitäre Hilfe. Wir schicken Geld und vor allem auch Medikamente, so dass die Menschen einen kleinen Funken Hoffnung haben, wenn sie fast am verhungern sind.

Wir kaufen Lebensmittel, auch wenn sie sehr teuer sind. Aber aufgrund der hohen Inflation und der Möglichkeit, dass wir starke Währungen haben, können wir nach wie vor  Medikamente und vor allem auch Lebensmittel kaufen, um die ärgste Not halbwegs zu lindern.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Adveniat-Länderreferent Reiner Wilhelm  / © Theresa Meier (DR)
Adveniat-Länderreferent Reiner Wilhelm / © Theresa Meier ( DR )
Quelle:
DR
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