"Zwanzig-Zwanzig" sagen Viele, wenn jetzt vom neuen Jahr die Rede ist. Diese Abkürzung kann einladen, die Quersumme zu ziehen: vierzig. Die Bibel kennt diese Zeitsumme gut: "40 Jahre", erzählt das Volk Israel bis heute, "mussten wir durch die Wüste bis wir endlich die Fleischtöpfe Ägyptens und die dortige Sklaverei hinter uns und das versprochene Land vor uns hatten!"
40 Tage und 40 Nächte musste der Prophet Elia zum Gottesberg Horeb wandern, um in einer Begegnung mit dem lebendigen Gott aus seiner Verzweiflung herauszukommen. (1. Kön 19,8) 40 Tage sehen wir Jesus nach seiner Taufe im Jordan in der naheliegenden Wüste Juda, in Vorbereitung auf seinen weltbewegenden Auftrag, den Alten Bund neu anzusagen.
Frieden und Gerechtigkeit
Januar: In aller Welt wird jetzt eine neue Jahreszahl geschrieben, die von seiner Geburt hergeleitet wird, geschrieben sogar von denen, die eigentlich eine andere Jahreszählung kennen, wie etwa Juden und Buddhisten. Unser Name für diesen Monat kommt vom lateinischen "janua", was Pforte oder Tor heißt. Was erwartet uns, wenn wir es durchschreiten?
Papst Franziskus bittet uns jedenfalls um weiten Blick und ein weites Herz. Die Festtage um die Jahreswende führen ja in unserer Kultur eher zu den Innenräumen: Weihnachten als Fest der Familie und vertrautes Zusammensein mit den Freunden. Schon die Kälte der Jahreszeit lädt zum Rückzug ein.
Das kann gut tun, aber kann doch nicht zum Jahresprogramm werden! Der Papst will mit uns in diesem ersten Monat ins Gebet für die weite Welt, die in so atemberaubendem Tempo zusammenwächst. Nicht einmal die von ihm geleitete Kirche mit ihren gegenwärtigen Zerreißproben ist sein erstes Anliegen. Die Kirche ist von Anfang an für die Welt gedacht, nicht umgekehrt.
Was die Bewohner dieser Erde im Jahre 2020 vor allem benötigen ist "Frieden und Gerechtigkeit"! Ob die Reihenfolge richtig ist? Ohne Gerechtigkeit kann es nur faulen Frieden geben, Frieden für die einen auf Kosten der andern. Aber was wäre wirklich Gerechtigkeit? Wer in dieser schwierigen Frage einer Antwort näherkommen will, muss sicher erst mal friedlich mit denen reden, die anders fragen und fordern.
Jedenfalls erwartet Franziskus offenbar ein Wachstum zu mehr Frieden und Gerechtigkeit von einem wachsenden Miteinander. Er will Gott und uns nicht nur um den Einsatz aller Christen bitten, also über alle Grenzen der Konfessionen hinweg, sondern - in einem Atemzug - "Angehörige anderer Religionen und alle Menschen guten Willens"!
Mehr Mut zum Überschreiten bisheriger Grenzen
Das Evangelium unserer Heiligen Nacht schloss früher mit der Botschaft der Engel so: "... und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind". Heute übersetzen wir, näher am griechischen Urtext des Lukas: "...den Menschen seiner Gnade". Und diese letzten Worte wiederholen wir oft am Anfang des "Gloria" an Sonn- und Festtagen. Aber ist der Unterschied in der Wortwahl so groß? Können wir nicht dankbar sagen: Wenn ein Mensch wirklich guten Willen hat, zu Frieden und Gerechtigkeit nach Kräften beizutragen, dann ist das eine Wirkung der Gnade, auch wenn er meint, "Atheist" zu sein.
Das Anliegen des Papstes in diesem Monat ist ein Anschub für unsere Herzen und Hirne. Wir könnten 2020 mehr Mut zum Überschreiten bisheriger Grenzen entwickeln und Teilbündnisse schließen mit Leuten, die längst nicht in allem gleicher Meinung sind.
Nicht der Selbsterhalt der römisch-katholischen Kirche in ihrer jetzigen Verfassung, sondern die Weiterentwicklung der ganzen Schöpfung in Liebe soll unser Hauptanliegen sein.