Christenverfolgung sollte aus Sicht des Menschenrechtlers Heiner Bielefeldt wieder mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft finden. Auf Grund der Größe der Glaubensgemeinschaften, aber auch wegen der Verstrickungen der Kirche in die koloniale Geschichte, falle es in Europa gerade links-liberalen Milieus schwer, die Verfolgung von Christen als Menschenrechtsverletzung anzuerkennen, sagte Bielefeldt im Interview der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag).
Nach Worten des Wissenschaftlers von der Uni Erlangen-Nürnberg wird dies von christlichen Minderheiten in anderen Ländern wie Ägypten, Libanon und Irak teilweise als verweigerte Solidarität wahrgenommen.
Von Europa im Stich gelassen
"Sie fühlen sich von Europa schon sehr im Stich gelassen und sind sehr irritiert darüber." Der Menschenrechtler regt deswegen Partnerschaften mit Menschen oder Gemeinden an, die unter schwierigen politischen Verhältnissen lebten.
Kritisch äußerte sich Bielefeldt hingegen zu Statistiken zur Christenverfolgung, wie den im März erschienenen Weltverfolgungsbericht der Organisation Open Doors. Zahlen und Quoten sagten nichts über die Qualität der Verfolgung aus, so Bielefeldt. Es sei fraglich, ob von einzelnen Übergriffen immer eine Gesamtheit der Glaubensgemeinschaft betroffen sei. "Zahlen können so ihre ganz eigene Magie entwickeln. Ich würde hier fast schon von einem Fetisch sprechen“, erklärte der Wissenschaftler. Auch die Medien mahnte er zur kritischen Berichterstattung.
Bielefeldt selbst ist maßgeblicher Autor des zuletzt im vergangenen Jahr erschienenen ökumenischen Berichts zu weltweiter Religionsfreiheit von katholischer und evangelischer Kirche in Deutschland. Der Bericht führt allerdings nur exemplarisch den Zustand der Religionsfreiheit in verschiedenen Ländern - darunter auch Deutschland - auf. Zahlen zur Christenverfolgung werden nicht genannt.