Militärbischof findet Waffenlieferung moralisch vertretbar

"Freiheit notfalls mit Waffen verteidigen"

Der Angriff auf die Ukraine wirft Fragen auf, welche Mittel der Gegenwehr ethisch erlaubt sind. Deutschlands katholischer Militärbischof Franz-Josef Overbeck sieht Europa durch einen "Systemkrieg" Russlands herausgefordert.

Gefaltete Hände eines Soldatens bei einem Gottesdienst in der Little Church im Rahmen der Militärseelsorge am 26. Mai 2023 an der NATO-Ostflanke in Rukla, Litauen / © Markus Nowak (KNA)
Gefaltete Hände eines Soldatens bei einem Gottesdienst in der Little Church im Rahmen der Militärseelsorge am 26. Mai 2023 an der NATO-Ostflanke in Rukla, Litauen / © Markus Nowak ( KNA )

Militäreinsätze zur Verteidigung wie in der Ukraine und Waffenlieferungen können nach Worten des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck moralisch vertretbar sein. Dabei müsse man sich jedoch die "Tragik" vor Augen halten, dass zur Friedensstiftung Gewalt angewandt werde, die auch Menschen töte. 

Franz-Josef Overbeck / © Julia Steinbrecht (KNA)
Franz-Josef Overbeck / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Klärung der Verhältnismäßigkeit müsse sich an Prinzipien orientieren, könne aber "situationsspezifisch variieren", sagte Overbeck, der auch Bischof von Essen ist, anlässlich einer Soldatenwallfahrt im französischen Lourdes am Samstag. "Eindeutige, einfache, schablonenartige und in jeder Lage passende Antworten gibt es nicht."

Den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nannte Overbeck einen "Systemkrieg". Es gehe nicht nur um das Recht des angegriffenen Staates auf Selbstverteidigung, "sondern auch um die Verantwortung, die wir gemeinsam haben, für Recht, Freiheit und Einheit Sorge zu tragen". Auf dem Spiel stünden die Bewahrung der Freiheit des Einzelnen mit seiner Würde als Person wie auch die Freiheit einer gesamten Gesellschaft.

"Keine Politik mit der Bergpredigt"

Das Selbstverteidigungsrecht wie im Fall der Ukraine berühre politische, rechtliche und moralische Fragen, "die allein durch einen unterkomplexen Verweis auf das Gebot der Feindesliebe nicht zu lösen sind", sagte der Militärbischof. Er bezog sich dabei auf die sogenannte Bergpredigt Jesu mit Aussagen wie "Selig die Sanftmütigen" und "Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen".

Mehrfachraketenwerfer beim Abschuss auf den Kirkcudbright Ranges / © Cpl Nathan Tanuku (dpa)
Mehrfachraketenwerfer beim Abschuss auf den Kirkcudbright Ranges / © Cpl Nathan Tanuku ( dpa )

Overbeck sagte dazu, in den politischen Dimensionen eines Angriffskriegs würde eine "Instrumentalisierung der Bergpredigt ihren Inhalt eben schnell ins genaue Gegenteil verkehren". Der Bischof weiter: "Die Bergpredigt verbietet aus sich heraus Selbstverteidigung nicht, genauso wenig wie legitime Selbstverteidigung die primäre Option für ein Ethos der Gewaltfreiheit generell infrage stellt."

Ebenso müsse die Rüstungsproduktion über die Landes- und Bündnisverteidigung hinaus "ein angemessenes Engagement im Rahmen internationaler Krisenbewältigung" ermöglichen, sagte Overbeck. Waffenlieferungen zur Notwehr könnten "im Sinne einer verhältnismäßigen Ausnahme als moralisch vertretbar erachtet werden", blieben aber auch mit "unkalkulierbaren Risiken" verbunden.

Quelle:
KNA